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Zwei katholische Geistliche, die Göring nicht grüßen wollten

Zwei katholische Geistliche, die Göring nicht grüßen wollten

Foto: Die Pfarrer Josef Zilliken und Johann Schulz kam ins KZ, Dachau und starben dort, weil sie in einem Ausflugslokal Hermann Görung nicht gegrüßt hatten. Rechte: Public Domain

Johannes Schulz und Josef Zilliken

ein Artikel von Klemens Hogen-Ostlender

Es ist der 27. Mai 1940, ein Montag. Zweieinhalb Wochen zuvor hat das Deutsche Reich den Krieg gegen die Niederlande, Luxemburg, Belgien und Frankreich vom Zaun gebrochen. Knapp einen Monat später wird er siegreich enden. Johannes Schulz aus Nickenich und Josef Zilliken aus Wassenach sind Gegner des Nationalsozialismus. Die beiden befreundeten Pfarrer aus Nachbargemeinden sitzen am Nachmittag auf der Terrasse des Gasthauses Waldfrieden oberhalb des Laacher Sees, unweit der Benediktinerabtei Maria Laach.  Schulz hat eine Woche zuvor die 29. Wiederkehr seines Weihetages gefeiert. Als ein weiterer Gast erscheint, nehmen sie davon keine Notiz.  Alle anderen Anwesenden aber springen auf und grüßen den Ankömmling mit erhobenem rechtem Arm. Es ist Hermann Göring, Oberbefehlshaber der  Luftwaffe. Seine Miene verfinstert sich beim Blick auf die sitzenden Priester. Spontan befiehlt er, beide zu verhaften, was noch am selben Abend geschieht. Skeptiker bezweifelten lange, dass die Anzeige tatsächlich von Göring selbst kam. Nach den Ende der Sowjetunion wurden dann Verhörprotokolle des Geheimdienstes NKWD öffentlich. Darin hatten deutsche Offiziere t bestätigt: Wenige Tage nach dem Zwischenfall brüstete Göring sich gegenüber Adolf Hitler: „Denen habe ich es aber gezeigt. Ich habe sie ins KZ geschickt und habe befohlen, dort eine Stange mit einer alten Mütze von mir aufzustellen. Jetzt müssen sie jeden Tag daran vorbeimarschieren und den nationalsozialistischen Gruß üben.“ Die infantile Demütigung wurde im KZ tatsächlich noch verschärft, indem SS-Schergen Schulz und Zilliken zwangen, unzählige Male diesen Satz auf eine Schiefertafel zu schreiben: „Jeder Deutsche ist verpflichtet, den Reichsmarschall zu grüßen.“ 

Johannes Schulz wurde am 3. April 1884 geboren und 1911 zum Priester geweiht. Im  Ersten Weltkrieg war er als Divisionspfarrer dienstverpflichtet. 1919 wurde er  Pfarrer im saarländischen Derlen. Er machte sich dort später dort durch Predigten gegen das NS-Regime bei dessen Anhängern unbeliebt. Im Trierer Diözesanarchiv sind die Vorwürfe aktenkundig: Der Pfarrer verhalte sich so feindlich, dass oft Leute die Kirche aus Protest verlassen würden. 1935, nach der Rückgliederung des Saargebiets an Deutschland, versetzte das Bistum Schulz nach Nickenich im Landkreis Mayen. Noch im selben Jahr warf der Sicherheitsdienst Heinrich Himmlers ihm Überschreitung des Züchtigungsrechts im Unterricht vor. Das war damals ein beliebter Vorwand, um katholische Geistliche einzuschüchtern. Auch die Gestapo hatte Johannes Schulz im Visier und nahm beispielsweise Anstoß daran, dass er Flugblätter  für die Katholische Bekenntnisschule verteilen ließ.

Josef Zilliken  erblickte am 17. September 1872 das Licht der Welt und wurde  1898 zum 1898 Priester geweiht. Als Dechant im Dekanat Prüm in der Eifel wandte er sich ab 1922  gegen die aufgekommene  Forderung von Separatisten,  das Rheinland von Preußen zu lösen oder sogar eine selbstständige Rheinische  Republik zu gründen. Das brachte ihm von Gegnern einer Abspaltung die Bezeichnung  „Rückgrat des  Deutschtums in der Eifel“ ein. Doch auch Zilliken war ein  entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Er bekämpfte einen Zahnarzt, der schon vor so genannten Machtergreifung Propaganda für die NSDAP macht. Der wurde 1933 Kreisleiter und rächte sich. Zilliken wurde wegen einer Predigt gegen das Buch „Mythus des 20. Jahrhunderts“ des NSDAP-Ideologen Alfred Rosenberg angezeigt. Das Verfahren endete zwar mit Einstellung. Rosenberg selbst aber zeigte nun den Dechanten wegen Beleidigung an. Zilliken erhielt von der noch nicht restlos auf NS-Kurs eingeschworenen Justiz eine Bewährungsstrafe. 1937 kam er als Pfarrer nach Wassenach im Landkreis Ahrweiler. Immer wieder wurde er wegen regimekritischen Verhaltens zur Gestapo zitiert. Mehrere Strafverfahren waren gegen ihn angestrengt.

Bis zum 27. Mai 1940 blieb er dennoch wie auch Johannes  Schulz in  Freiheit. Doch dann begann für beide ihr Leidensweg. In Andernach am Rhein wurden sie wochenlang scharf verhört. Im Juni brachte man sie nach Buchenwald, im Juli ins KZ Sachsenhausen. Sie wurden immer wieder bespuckt, schwer verprügelt und mit Tritten traktiert. Im Dezember kamen beide schließlich nach Dachau. Angehörige von Johannes Schulz und sein Amtsvorgänger in Derlen, Adolf Rosch, richteten vergeblich Gnadengesuche an Göring und dessen Ehefrau. Schulz musste im KZ Schwerstarbeit in der so genannten Plantage leisten. Dort wurde in einem Moorgebiet unter anderem mit dem  Anbau heimischer Kräuter wie deutschem Pfeffer experimentiert. Pfarrer Schulz war bald so geschwächt, dass er zu den täglichen Appellen von Kameraden gestützt geführt werden musste. Kärgliche Hungerrationen ließen ihn ab 1942 außerdem fast bis aufs Skelett abmagern. Er hatte Wasser in den Füßen. Magen und Darm versagten fast völlig den Dienst. Am 5. August 1942 wurde der Priester in  die Krankenstation des Lagers eingeliefert. Man  amputierte ihm beide Beine. Am 19. August 1942 starb er.  Der Mithäftling Hans Carls, Caritas-Direktor aus Köln, überlieferte seine letzten Worte: „Ich sterbe für meine Gemeinde, damit alle gerettet werden“. An seinen Bischof, Rudolf Bornewasser, hatte der Todgeweihte wenige Wochen zuvor noch diese Worte gerichtet: „In der letzten Zeit habe ich alle Gebete und Opfer für meine Firmlinge dargebracht, daß sie vollendete Christen werden, wie die Zeit sie braucht für Kirche und Vaterland“.

Die körperliche Überforderung ließ auch  Josef Zilliken sterbenskrank werden. Seelisch war er dennoch ungebrochen. Der Mithäftling Pater Maurus Münch aus dem Bistum Trier schilderte den Wechsel von Pfarrer Zilliken zur Krankenstation so: „Wir wussten: Es war sein letzter Weg im Lager. Ehe er uns verließ, gaben wir ihm alle gemeinsam die heilige Ölung in der Kapelle. Ganz bewusst empfing er das Sakrament und umarmte jeden von uns, ehe er aus der Kapelle ins Revier getragen wurde. Am 3. Oktober gab er seine Seele in Gottes Hand“. Der frühere Reichstagsabgeordnete Joseph Joos  hatte dem Zentrum angehört. In seinen Augen  starb dereinst hünenhafte und immer noch kämpferische Zilliken „wie ein alter Haudegen auf dem Schlachtfeld“.  Wenige Monate hatte der Pfarrer noch Grüße an seine Pfarrkinder übermitteln und ihnen diesen Wunsch weitergeben lassen: „Sie sollen gläubig und der Kirche treu bleiben“.

Am 28. August 1942 fand in Nickenich ein Requiem für Johannes Schulz statt. Es wurde auch durch die Teilnahme sehr vieler Geistlicher zu einer Demonstration gegen das NS-Regime. Weil der Bürgermeister die Urne nicht auf dem Gemeindefriedhof haben wollte, wurde sie  1943 in Saarbrücken im Grab der Familie Schulz beigesetzt. 1949 errichtete die katholische Jugend in Derlen einen Gedenkstein für Pfarrer Schulz. 1954 wurde eine Gedenktafel an der Kirche in Nickenich enthüllt, 1977 eine Gedenkplatte in Derlen.  2003 weihte man dort eine Gedenkstätte ein und benannte den „Pfarrer-Johannes-Schulz-Platz“ nach dem Priester. Die Urne des Verstorbenen wurde dann in Saarbrücken gehoben. Bischof Reinhard Marx setzte sie  2004 im Priestergrab auf dem Friedhof von Derlen bei.

Ebenfalls im Bei­sein von vielen Geist­li­chen und un­ter gro­ßer An­teil­nah­me der Be­völ­ke­rung fand zehn Tage nach seinem Tod das Ster­be­amt für Josef  Zilliken in der Pfarr­kir­che von Was­se­nach  statt. Seine Urne wurde im No­vem­ber 1942 auf dem dortigen Fried­hof be­stat­tet. Nach dem En­de des NS-Re­gimes er­hielt sei­ne letz­te Ru­he­stät­te ei­ne wür­di­ge Ge­stal­tung in der Mit­te des Pries­ter­grä­ber­fel­des. In Was­se­nach wur­de ei­ne Stra­ße nach ihm be­nannt.  Am Gasthaus Waldfrieden enthüllten  die Bischöfe Felix Genn und  Stephan Ackermann 2010 eine Gedenktafel für beide Priester.

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