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Gedanken zum Martyrium
Foto: Innendecke der Todesangst-Christi-Kapelle auf dem Gelände der Gedenkstätte des KZ Dachau, Monika Volz, Rechte beim Verein Selige Märtyrer von Dachau e.V. Das Martyrium Einige weiterführende Gedanken verschiedener Autoren zum Martyrium finden sich im Anschluss zur Auseinandersetzung mit diesem Begriff.
1. Aus dem Grußwort von Monika Kaiser-Haas, Nichte des Seligen Karl Leisner, zum Marsch für Märtyrer 2023 „…im Gedenken an die Seligen Märtyrer von Dachau und zum Gebet für alle Märtyrer und verfolgten Christen in heutiger Zeit heiße ich Sie herzlich willkommen. Ihr Glaube an Gott, ihre standfeste Haltung, ihre Liebe zu den Menschen während der Diktatur des Nationalsozialismus führte sie ins Konzentrationslager Dachau. Dafür mussten sie unsagbares Leid ertragen. Sie sollten keine Menschen mehr sein, sondern ehrlos – wehrlos – rechtlos, nur noch Nummern. Weltweit erleiden Christen nach wie vor Verfolgung aufgrund ihres Glaubens. Sie werden diskriminiert, gefoltert und getötet, weil sie an ihrem christlichen Bekenntnis festhalten. Unser Gebet heute gilt daher allen verfolgten Christen, die unterdrückt wurden und werden. Papst Benedikt XVI. sagte: „Wir dürfen diese Zeugen dankbar als leuchtende Wegmarken wahrnehmen.“ Dieses Gebetstreffen erinnert uns daran, wie wichtig es ist, für Religionsfreiheit und Menschenrechte einzutreten und uns für diejenigen einzusetzen, die aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Überzeugungen leiden. Lasst uns ihre Opfer niemals vergessen und eine Welt schaffen, in der die Kirche und jeder Gläubige in Frieden leben können…
„Zum Gedenken an die Märtyrer und Bekenner Papst Johannes Paul II. sieht nicht nur die Beispielhaftigkeit der Blutzeugen für den Glauben an Jesus Christus, sondern er legt Wert auf die Feststellung, daß die Erinnerung an die Märtyrer zugleich Zukunftsfähigkeit in sich birgt: Das Heil der Gerechten aber kommt vom Herrn, und Er ist ihr Beschützer zu Zeit der Bedrängnis. (Ps 37, 39) Errege dich nicht über die Bösen, wegen der Übeltäter ereifere dich nicht. (Ps 37, 1) Gott, allmächtiger Vater, Du hast uns in Deinen Märtyrern Menschen geschenkt, die sich in ungerechter Verfolgung durch irdische Machthaber ganz Deinem Willen überließen und im festen Vertrauen auf Deine Güte und Vaterliebe alle Widerwärtigkeiten ertrugen, standhafte Bekenner, die treu zu ihrem Glauben an Deinen Sohn und seine Heilstat für uns Menschen bis in den Tod geblieben sind.
„Märtyrer und Martyrium im Leben der Kirche Das griechische Wort martyrion bedeutet Zeugnis vor Gericht. Der es ablegt, heißt martys, der Zeuge. Im christlichen Verständnis handelt es sich freilich nicht einfach um ein beliebiges Zeugnis in einer beliebigen Sache. Vielmehr ist der martys Märtyrer ein Zeuge, bereit ist, mit seinem Zeugnis bis zum Äußersten, bis zum Opfer seines Lebens zu gehen - ohne dass er dieses Opfer leichtfertig riskiert oder gar sehnsüchtig danach strebt. Er wird zum Opfer, weil er eine Wahrheit bezeugt. Er geht für seinen Glauben in den Tod. Aus einem Zeugen wird er – wie das deutsche Wort anschaulich sagt - zu einem Blutzeugen. Dabei sind zwei Dinge entscheidend: einmal die von außen gesetzte, nicht selbstgeschaffene oder gar selbstprovozierte Verfolgungssituation – und sodann die Verbindung des Märtyrers mit Christus und mit der Kirche, welche die Legitimation für das Blutzeugnis schafft. Es handelt sich um ein „Martyrium gemäß dem Evangelium“, wie es in einer frühchristlichen Quelle, dem „Martyrium des Polykarp“, heißt. Welchen Tod der Märtyrer stirbt, wie die Umstände seines Martyriums im einzelnen beschaffen sind, welche Qualen ihm zugefügt werden, dies alles spielt dabei erst in zweiter Linie eine Rolle: entscheidend ist die aus dem Glauben erwachsende Bereitschaft zum Blutzeugnis in der Nachfolge Jesu, des „treuen Zeugen“ (Offb 1,5). Wie es Augustin ausdrückt: Christi martyrem non facit poena sed causa. Nicht „die Pein“, die ihm angetan wird, macht den Märtyrer, sondern „die Sache“, für die er steht und Zeugnis ablegt - eine Sache, die zugleich Ursache (causa) seiner Verfolgung von Seiten der „Feinde Christi“ ist. Die neueren Sprachen haben den Märtyrerbegriff aus dem Lateinischen übernommen (das ihn wiederum aus dem Griechischen entlehnte). Im Deutschen ist er bis heute ein gebräuchliches Lehnwort. Dabei betonte das Deutsche weniger den alten Sinn der Zeugenschaft - es setzte vielmehr eigene Akzente, indem es das Leiden, die Qualen, das bittere Sterben des Opfers betonte.3In keiner anderen Sprache ist aus Martyrium zugleich das Wort für absichtlich und planmäßig zugefügtes Leiden („Marter“) abgeleitet worden. Wer im Deutschen Martyrium sagt, hört immer auch die Marter mit: der Märtyrer (martrer, mertrer) ist der Gemarterte schlechthin. Christus erstand vom Kreuzestod – er erstand, wie es im Lied heißt, „von der Marter allen“. Noch heute bezeichnet Marter südostdeutsch eine Tafel mit Kruzifix zur Erinnerung an einen Unglücksfall (üblicher das besonders im Süddeutschen weitverbreitete Diminutivum Marterl). Das Deutsche nimmt sich das Martyrium im Wortsinn „zu Herzen“, stellt es anrührend und mitleidend dar – freilich werden dabei Augustins Akzentsetzungen in die Gegenrichtung gekehrt: die Pein steht im Vordergrund, nicht mehr das Zeugnis (poena non causa). Dass Martyrium, Marter, Märtyrer im Deutschen zum Krongut religiöser Sprache gehören, dass sie einen festumschriebenen eigenen Bedeutungskreis bilden, das hat dazu geführt, dass sie nicht, wie andere, in der Aufklärung und in der klassischen Literatur säkularisiert worden sind. Die Transformation ins Weltliche, Profane ging an ihnen vorüber, ohne Spuren zu hinterlassen. Vor allem das Wort Märtyrer erwies sich als säkularisierungs-resistent. Der Grund lag darin, dass die ältere Zeit – wie dargetan - die Verinnerlichung des Wortes schon vorweggenommen hatte. Auf der anderen Seite sperrte sich der Martyrerbegriff gerade wegen seiner Verbindung mit dem Sterben und der Betonung tödlich-schmerzlicher Gewalt gegen Umformungen ins Metaphorische und Symbolische. Die zentrale Kraft des Märtyrers ist der Glaube – freilich ein Glaube, der mehr ist als bloßes „Fürwahrhalten“; ein Glaube, der „getan“ werden will und der nichts anderes ist als die Vollendung der bedingungslos liebenden Hingabe nach dem Beispiel Christi. Deshalb intervenierte Johannes Paul II. zurecht, als die Kurie im Heiligsprechungsverfahren für Maximilian Kolbe dem polnischen Franziskaner „nur“ den Status des Bekenners zuerkennen wollte (weil er, so lautete die Begründung, nicht „aus Hass auf den Glauben“ ermordet worden sei!); der Papst erreichte, dass der Tod Kolbes im Hungerbunker in Auschwitz (zur Rettung eines Familienvaters) als wirkliches „Martyrium“ bezeichnet und bestätigt wurde. Hinter diese Neuakzentuierung und „Auffüllung“ konnte und kann nun auch bei künftigen Kanonisationen von Märtyrern nicht mehr zurückgegangen werden – immer mehr tritt an die Stelle einer nur noetisch-intellektuellen Prüfung des Glaubens der Blick auf die „ganze Existenz“ des Zeugen. Vor allem die Katholische Kirche hat aus der öffentlichen Bedeutung des Martyrerbegriffs, aus der stärkeren Betonung der Existenz des Zeugen und seiner freien Liebestat ihre Folgerungen gezogen. Die seit dem 18. Jahrhundert normierten, im 20. Jahrhundert ergänzten Märtyrer-Kriterien sind im Licht moderner Erfahrungen neu ausgelegt und aktualisiert worden. Was heißt das für das Phänomen des Martyriums? Gerät etwa die alte Bedingung ins Wanken, dass der Glaubenszeuge auf keinen Fall das Martyrium aktiv suchen oder gar herbeiführen darf? In der Zeit der frühen Christenverfolgungen gab es bekanntlich eine lebhafte Diskussion darüber, ob man sich zum Martyrium „drängen darf“. Das wird natürlich abgelehnt – aber ebenso gut bezeugt ist auch die Sehnsucht nach dem Martyrium und die Sorge vieler Zeugen, sie könnten dieses „Opfer der Liebe“ versäumen. So schrieb Ignatius von Antiochien als Gefangener auf dem Weg nach Rom an die römische Gemeinde: „Gestattet mir, Nachahmer des Leidens meines Gottes zu sein!“... „Gewährt mir nicht mehr, als Gott geopfert zu werden, solange noch ein Altar bereitsteht.“ Kehren solche Bitten und Wünsche in modernen Martyrien wieder? Weisen etwa die freiwillige Meldung Maximilian Kolbes in Auschwitz oder die Aufforderung Edith Steins in Echt ihre Schwester „Komm, wir gehen für unser Volk!“ in diese Richtung? Festzuhalten ist, dass die große Schar der Märtyrer des 20. Jahrhunderts innerhalb der christlichen Kirchen zu einem vermehrten Nachdenken über Märtyrer und Martyrium, über Zeugenschaft und Lebensopfer in und mit Christus geführt hat. Die Thematik reicht in zentrale Fragen des Kirchenverständnisses hinein. Warum gibt es überhaupt Märtyrer? Was bedeuten Märtyrer für die Kirche? Ist das Martyrium ein charismatischer Ausnahmezustand für wenige einzelne - oder ist die Bereitschaft zum Martyrium im Christentum ein „Ernstfall“ für viele, wenn nicht gar für alle? Und was bedeutet dieser Ernstfall für die Gemeinden? Wie gedenken sie auf richtige und gültige Weise der Märtyrer in actu (Fürbitten) und in memoria (Gebete, Feste)? Wie wirkt sich das Gedenken an die Märtyrer im Aufbau des kirchlichen Lebens und seiner „regulären“ Strukturen aus, in Liturgie, Gebet, Predigt, Festkalender, Kirchenjahr? Diese Fragen betreffen alle christlichen Kirchen - also die Orthodoxie, die Katholiken und die Kirchen der Reformation gemeinsam. Sie alle bemühen sich heute um die Pflege, Erneuerung, Revitalisierung eigener Märtyrer-Traditionen – und sie suchen zugleich den Austausch mit den Erfahrungen der anderen. Die unterschiedlichen Profile, die dabei sichtbar werden, müssen den Prozess wechselseitigen Lernens nicht stören - vorausgesetzt, die Gesamterscheinung der „großen Schar aus allen Völkern“ bleibt im Blick. Gegenwärtige und künftige Verfolgungen werden dem Martyrium als Prüfung und Probe christlichen Lebens gewiss weiterhin Aktualität verschaffen. Und so wird die ökumenische Perspektive einer „Märtyrerkirche“, welche die konfessionell Getrennten im Gedenken neu zusammenfügt, auch im 21. Jahrhundert nicht untergehen.“
Kloid führt darauf aufbauend einige Gedenken über das Martyrium aus, die von allgemeiner Bedeutung sind. „Blutzeuge Christi? Gehen wir diese Frage behutsam an, um so größeres Gewicht wird die Antwort in den Augen der Gläubigen und der Ungläubigen, vor dem Urteil der Gegenwart und der Geschichte erfahren. Zunächst bietet die nach der Todesmeldung einsetzende hektische Tätigkeit der Gestapo ein geradezu groteskes Bild panischer Angst. Es ist die Angst davor, daß der tote Gerhard Storm — das nach so lange durchgehaltenen Mühen nun endlich zur Strecke gebrachte Opfer — doch noch weiterleben könnte in der Gemeinde, im Kreis der Freunde, in der Kirche. Es ist die Angst vor dem Märtyrerkult, der aufkommen und der dann die Verfolger vor aller Öffentlichkeit ins Unrecht setzen würde: nicht einen Schädling des Volkes und des Staates beseitigt, sondern einen Bekenner gemordet zu haben, der das bekannte, was das Volk in großer Mehrheit selbst dachte und ersehnte. Zwei Tage nach dem Tode, unmittelbar an die ‘Todesmeldung anknüpfend, notierte Greko Emmerich die verschiedenen Benachrichtungen, die zu veranlassen waren. Unter Punkt 5 heißt es dann wörtlich: ‚Die Überwachung der Kirchen in Emmerich, Speelberg und Haldern am 23. 8. 1942 wurde veranlaßt.‘ Dieser 23. 8. war der Sonntag nach der Todesmeldung. Ab da hieß es also wieder aufpassen, herumschnüffeln, bespitzeln: was unternahm die Geistlichkeit, wie reagierte die Gemeinde? Wieder geben die Akten des Verfolgers die besten Zeugnisse für den Verfolgten her. Am 6. September 1942 gab Greko Emmerich an die Gestapoleitstelle in Düsseldorf den nachfolgend in vollem Wortlaut wiedergegebenen Bericht ab: ‚Am 28. 8. 42 (Anmerkung: einem Freitag) fand in der hiesigen Aldegundiskirche fiür den am 20. 8. 42 in Dachau verstorbenen Kaplan Gerhard Storm ein feierliches Requiem statt. Es waren etwa 60 Geistliche anwesend, u. a. auch eine Abordnung aus Münster. Die Kirche war überfüllt. Es handelte sich zu 95 % um Frauen. Der Kirchenchor war sehr stark vertreten. Der Hauptaltar und die Kanzel waren mit schwarzen Tüchern verhängt. Der Beichtstuhl, in welchem Kaplan St. Beichte abgehört hatte, war von Palmen umgeben, davor brannte eine Kerze. Vor der Opferung betrat Kaplan Wulf die Kanzel und sagte: ‚Heute abend um 19.30 Uhr findet nochmals ein Hochamt für den in Dachau verstorbenen Kaplan Storm statt. Ich bitte die zahlreichen Gläubigen, auch diesem Amt beizuwohnen und alle Nichtanwesenden zu benachrichtigen, damit auch diese erscheinen. Lasset uns drei Vaterunser und drei Avemaria beten für unseren in Dachau verstorbenen Mitbruder, Seelsorger Kaplan Storm‘ Die Kirchenbesucher und der Kaplan beteten dann gemeinsam. Nach Abschluß der Messe und der Zeremonien am Katafalk bildete die anwesende Geistlichkeit eine Prozession unter Vortragung eines Kreuzes. Die Prozession ging durch die Kirche. Am Ende der Kirche, neben dem Bild der schmerzhaften Mutter Gottes, war ein Nebenaltar mit brennenden Kerzen, Kränzen und Blumen überaus reichlich geschmückt. Die Geistlichkeit bildete um diesen Altar einen Halbkreis, der Größe nach dem Raum eines Grabes entsprechend. Im Chor wurde zunächst ein lateinisches und dann ein deutsches Gebet gesprochen. Anschließend wurden von einem Geistlichen mit weinerlicher Stimme die Grabgebete gesprochen. Es handelt sich um Gebete, die sonst an einem offenen Grab gesprochen werden. Selbst das Vaterunser für den nächsten der Anwesenden, der sterben sollte, wurde nicht vergessen. Der Vorbeter verstand es, eine schluchzende und weinerliche Stimme nachzuahmen, so dass ein großer Teil der anwesenden Frauen, davon ergriffen, weinten. Nach Abschluß der Zeremonien bildete sich wieder die Prozession. Diese ging unter Vortragung des Kreuzes zum Hauptaltar zurück. Die Orgel spielte das Lied ‚Herr, gib Frieden dieser Seele‘, und die Kirchenbesucher sangen dieses Lied. Nach dem Requiem hielten sich die Kirchenbesucher noch längere Zeit vor der Kirche auf. Sie unterhielten sich über den Tod des Kaplan Storm. Verschiedentliche Geistliche unterhielten sich vor der Kirche mit den Gläubigen. Im Laufe der Unterhaltungen vor der Kirche wurde selbst von 15 bis 16 jährigen Mädchen erwähnt, dass Kaplan Storm keines natürlichen Todes gestorben sei. Man sprach allgemein von Vergiftung. Es wird sich hierbei um Rückwirkungen der bekannten Predigten Bischofs Clemens August von Münster handeln, ferner um die systematische Beeinflussung der Bevölkerung durch die katholische Geistlichkeit…. Am selben Tage um 19.30 Uhr fand ein feierliches Hochamt für Kaplan Storm statt. Auch in diesem Falle war die Kirche überfüllt. Zum größten Teil waren es Frauen. Am 29.08.42 haben zwei Schwestern des Kaplan Storm auf der hiesigen Dienststelle vorgesprochen und um Übersendung der Urne gebeten. Diese soll auf dem Pfarrfriedhof in Haldern beigesetzt werden. Ferner baten die Schwestern des Storm um Übersendung der Kleidungsstücke, Schlüssel und sonstige Gegenstände des Kaplan Storm. Nach Angaben eines V-Mannes sollen bei Storm in Haldern berets 50 bis 60 Briefe, in der Hauptsache aus Klöstern, angekommen sein, worin um ein Andenken von Sachen des Kaplan Storm gebeten wird. Es hat den Anschein, als wenn man den Kaplan Storm zum Märtyrer stempeln will. Donnerstag, den 3.9.42 findet in Haldern ein Hochamt für Kaplan Storm statt. Bericht wird vorgelegt.‘ … 60 Geistliche — nicht möglich, sie mit Namen einzeln aufzuführen oder gar einzeln abzuhorchen, … Zweimal — zur eigenen Beruhigung — die Feststellung: in der Mehrzahl waren nur Frauen dabei.[2] Umlaufende Gerüchte über Ermordung statt natürlichen Todes: der Bischof und seine Geistlichkeit sind an solchen Gerüchten schuld! Die Urne wurde angefordert: neue Sorgen fiür die Gestappo ! Wieder ist ein ,, V-Mann‘° eingesetzt, cin Spürwolf im Schafspelz eines braven, kirchentreuen Katholiken. Andenkenrummel setzt schon ein: man will sicher diesen Storm „zum Märtyrer stempeln“. Fin Aktenblatt weiter bestätigen die Verfolger ihre große Angst: Emmerich notierte eine Mitteilung der Gestapo Düsseldorf, wonach in der Sache der Urnenaushändigung nichts unternommen werden könne; „ein Eingreifen der Staatspolizeileitstelle Düsseldorf ist nicht möglich. Polizeirat F. . . . bittet um Überwachung und Bericht sämtlicher Totenfeiern für Kaplan Storm.“ Wie gern hatten sie die Aushändigung der Asche verweigert! Ahnten sie, daß 24 Jahre später die Urne Nr. 4962 in der Krypta des niederrheinischen Märtyrerdomes zu Xanten beigesetzt werden würde? — Auch die totalitären Machthaber von damals konnten nicht verhindern, daß die am 28. 8. 1942 zwelmal ,,überfüllte Kirche“ eine Gemeinde umschloß, die sich zur großen Pilgergemeinde erweiterte, die jetzt und in Zukunft die Schmach und die nicht meßbare Summe an Un-Tat des Regimes in sühnendem Gebet vor Gott trägt um der Heilszukunft der pilgernden Kirche willen. … Befragen wir die Kirche selbst. In ihrer im Heiligen Geist sich immer neu orientierenden Weisheit hat sie dem lebendigen Drängen der Gläubigen in der ehrfürchtigen Heraushebung einzelner ihrer Glieder zu Auserwählten und Heiligen ebenso stattgegeben, wie sie andererseits mit strengen Maßstäben und Gesetzesvorschriften emotionalem Überschwang Einhalt geboten hat. Im „sentire cum ecclesia“ der Jahrhunderte ist „das Sterben und Hineingetauftwerden in den Tod Christi“ ( Karl Rahner) höchster Grad in der Nachfolge Christi. Es wird denen zuteil, die Christus gleich im Konflikt mit Mächtigen der Staatlichkeit ihr – „testmonium fidei“ – das Zeugnis des Glaubens – öffentlich bekannten, die „in odium fidei“ – im Haß gegen diesen Glauben – von eben diesen Mächten der Staatlichkeit gewaltsam getötet wurden und die – Christus im Letzten gleichwerdend – diesen Tod um Christi willen auf sich nahmen. Wenn wir das Leben und Sterben Storms in das Licht einer solchen letzten christlichen Fragestellung rücken, so muss vorerst zweierlei klar gesagt werden, um Mißverständnissen vorzubeugen: Es ist keineswegs beabsichtigt, einer individuellen Heroisierung Storms das Wort zu reden oder gar einen kirchenrechtlichen Prozeß der Selig- oder Heiligsprechung irgendwie Vorschub zu leisten. Die Gedankenwelt unserer Zeit ist solchem Individualismus mehr und mehr abhold. Der Volk-Gottes-Gedanke nachkonziliärer Prägung sieht im einzelnen das Glied innerhalb der Gemeinschaft, das Individuum als im Dienste des Ganzen stehend. Andererseits aber darf bei solchem heilsgeschichtlichen Denken das Wissen um letzte personale Forderungen, die jedem einzelnen gestellt werden, nicht verloren gehen. Es darf nicht dahin kommen, daß die Opfer der nationalsozialistischen Kirchenverfolgung bis in die Reihen aufrechter Christen hinein mit einem mitleidigen Achselzucken abgetan werden, als ob Leichtsinn, Unvorsichtigkeit, Starrköpfigkeit oder gar gewisse Überheblichkeit und Unbelehrbarkeit vorlagen dort, wo in Wirklichkeit harte Gewissensnot das echte Bekenntnis unentrinnbar abforderte. [3] Die zwei ersten Fragen nach dem Zeugnis des Glaubens und der Verfolgung aus dem Hass des Glaubens gegen diesen Glauben und seine Vertreter und Bekenner werden in den Akten der Verfolger mit einem so eindeutigen „Ja“ beantwortet, dass es nach der hier erfolgten Offenlegung dieser Akten im Falle Storm keiner Ergänzung in der Beweisführung bedarf. Wenn der „Reichsführer SS und der Chef der Deutschen Polizei“, Heinrich Himmler, in einem Geheimerlaß vom 27. August 1941[4] - anordnete, dass „sämtliche hetzerische Pfaffen, deutschfeindliche Tschechen und Polen, sowie Kommunisten und ähnliches Gesindel grundsätzlich auf längere Zeit einem Konzentrationslager zugeführt werden sollen,“ So ergeben die Akten Storm, dass zu jenen „hetzerischen Pfaffen… und ähnlichem Gesindel“ gezählt wurde, dessen Vernichtung bereits beschlossene Sache war, als der erste Bericht gegen ihn an Himmlers Gestapo abging. Die dritte Frage, die nach dem „fiat“ – Vater, Dein Wille geschehe! -, kann von Seiten der Menschen nur unvollständig erwogwn, nicht definitiv beantwortet werden. Gott allein schaut ins Herz. Gott allein prüft und wählt aus, wenn er die Gnade der Berufung in die letzte Zeugenschaft Christi zuteil werden läßt. Gerhard Storm drängte keinesfalls zum Martyrium: darin sind seine Gegener wie auch seine Freunde einer Meinung. Er wich ihm aber auch nicht aus, wie gleicherweise alle Beteiligten bestätigen. Karl Rahner zeigt uns in seinem ,,Exkurs über das Martyrium“ auf, mit welch differenzierender Einfühlung wir dem Sterben der Blutzeugen unserer Epoche ins Antlitz schauen müssen: „Man hat mit einem gewissen Recht von wechselnden Stilen des Sterbens gesprochen. Es gibt auch wechselnde Stile des Martyriums. Welch ein Unterschied ist doch zwischen der himmelstürmenden Todessehnsucht eines Ignatius von Antiochien einerseits und jenem fast antlitz- und augenlosen Verlöschen in manchem Martyrium des 20. Jahrhunderts.“ Sterben in Dachau —: antlitzloses Verloschen in der Identität des Todes Christi. Im Rund des Kelches, den Gerhard Storm täglich im Dienste des Erlösertodes Christi verwandte, stehen die Worte: „Sanguinis poculum dedit et tristibus.“ Den Kelch seines Blutes reichte er auch den Trauernden. In den Fuß des gleichen Kelches ist das Brustkreuz der Mutter Storms eingelassen, die bei der Geburt des Sohnes verstarb. Sicher gab das Gedenken an jenen schmerzlichen Zusammenklang von Tod und Geburt den Anlaß zu solcher Aussage. Am Kult-Gerät, das täglich diente, den Tod des Herrn zu verkünden bis er wiederkommt, weitet sich der Sinn solchen Wortes und Zeichens zum Zwiegespräch der Mutter Kirche mit ihren Söhnen. Gerhard Storm, seinen Mitmenschen gegenüber verschlossen, sobald es sich um das Innere seiner Seele handelte, hat uns aus den letzten Monaten seines Lebens einige Äußerungen hinterlassen, die uns zu der Schlußfolgerung berechtigen, daß er sich der Berufung ins Martyrium ahnend bewußt war, dass er spürte, dieser Berufung nicht entfliehen zu können und dass er nach schmerzlichem Ringen die Forderung zu erfüllen bereit war, die er in jener Neujahrspredigt an den Christen seiner Zeit gestellt hatte: „We aus der Gegenwart flüchten wollte, der wäre feige. Gott hat uns in das Heute gestellt, nicht in das Gestern oder Morgen. Im Heute müssen wir uns bewähren.“ [5]
Quellen: Die Grußworte wurden dem Verein Selige Märtyrer von Dachau zur Verfügung gestellt um Veröffentlicht zu werden. [1] Kloidt Franz, KZ-Häftling Nr. 32281: Blutzeuge Gerhard Storm, Xanten 1966, S. 59f [2] Die Männer waren in großer Zahl an der Front. [3] Kloidt Franz, KZ-Häftling Nr. 32281: Blutzeuge Gerhard Storm, Xanten 1966, S. 64f [4] IV C 2 Nr. 41334, wird von Kloidt angegeben [5] Kloidt Franz, KZ-Häftling Nr. 32281: Blutzeuge Gerhard Storm, Xanten 1966, S. 32f- S. 67 |
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