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Geistliches Leben

Geistliches Leben

Die Gemeinschaft der Geistlichen lebte zusammen wie in einem „Riesenkloster“ (P. Schwake). 1000 Mitgliedern besaß dieses Kloster. Trotz der unmenschlichen und lebensbedrohlichen Umstände bemühten sie sich, das Leben eines Geistlichen zu führen. Die Kapelle gab ihnen die Möglichkeit zur täglichen Eucharistiefeier und zu persönlichem Gebet vor dem Tabernakel. Sie pflegten gemeinsame Andachten und das Stundengebet, soweit dies die Einteilungen zur Zwangsarbeit zuließen. Die Geistlichen begannen und beendeten jeden Tag im Schlafraum mit Gebet, Segen und Betrachtungspunkten für den nächsten Tag.  Der Zusammenhalt der Priestergemeinschaft untereinander war eine starke Kraftquelle. Durch Gespräche konnten sie sich gegenseitig stützten, trösten und Halt und Kraft geben. Als Seelsorger spendeten sie sich gegenseitig die Sakramente, beichteten bei einander und spendeten  die Sterbesakramente. Aber auch der intellektuelle Austausch der Geistlichen wurde gepflegt. Es gab Vorträge und Arbeitskreise zu allen theologischen Problemen, Bibelkreise und Planungen für die Seelsorge nach dem Krieg. Sie hielten einander Exerzitien, und gaben eigene Erfahrungen und Hilfen im Geistlichen Leben weiter. Die Kommunikation unter den Priestern der verschiedenen Sprachen und Ländern war  durch sehr gute Lateinkenntnisse der Geistlichen möglich. Latein war zusätzlich eine sichere Geheimsprache, weil SS-Männer mit niedrigem Bildungsniveau sie nicht kannten.

Durch den für uns unvorstellbaren Druck kam es auch zu menschlichen Spannungen und Konflikten und persönlichen Krisen. Auch hier halfen sich die Geistlichen gegenseitig. Einzelne, die in  ihrer bisherigen  Ausbildung noch nichts über den Umgang mit  großen Leidenssituationen gelernt hatten, wurden von Mitbrüdern unterstützt. Besonders die tägliche Messe wurde ihnen eine besondere Quelle des Trostes und ermöglichte ihnen Kraft zu finden und ihren persönlichen Kreuzweg für und mit ihrem Erlöser Jesus Christus zu gehen. Auch das Studium der Heiligen Schrift gab neue und tiefere Impulse. Die Psalmen oder Texte, wie die des Petrusbriefes, sprachen neu zu ihnen.

Die Geistlichen nutzten die quälend langen Zeiten des Stehens auf dem Apellplatz und die Arbeitszeiten zum Gebet. Sobald sie sich unbeobachtet fühlten beteten sie Rosenkranzgebet und Kreuzweg. Sie hielten Fürbitte  für die Mitgefangenen im Lager. Sie beteten auch für ihre Feinde, die sie beschimpften, schlugen und quälten, für die SS-Männer und ihnen vorgesetzte und teilweise ihnen nicht gut gesinnte Mithäftlinge. Sie beteten auch für die Menschen außerhalb des Lagers: ihre Familien, Freunde, ihre Pfarreien, für die Jugend, ebenso für die Opfer der Bombenangriffe und für die Soldaten an der Front.

Die Priester feierten in der Kapelle das ganze Kirchenjahr, soweit das möglich war, und gestalteten sich die Gottesdienste so schön wie möglich. Es wurde ein Priesterchor zusammengestellt und die Kapelle nach Möglichkeiten geschmückt. So wurde die Liturgie eine große Freude für  sie.

In der Kapelle befand sich auch eine Marienstatue. Sie steht heute im Kloster des Karmel Heilig Blut in Dachau. Diese Statue wurde „unsere Liebe Frau von Dachau“ genannt und verehrt wie das Votivbild eines Wallfahrtsortes.

Den Geistlichen war es wichtig, den Willen Gottes anzunehmen, den sie in ihrer Situation zu erkennen meinten. Viele boten Gott ihr Leben an und viele vollendeten diese Hingabe im Tod ganz.

In dieser Situation erfuhren viele Geistliche intensiv Gottes Gegenwart. Sie durften Gebetserhörungen erleben,  Gottes Nähe und Trost ganz persönlich erfahren. Staunend kann man Briefe und Berichte überlebender Geistlicher lesen, die von sehr tiefem Vertrauen in Gottes Vaterliebe und seine Führung und Vorsehung sprechen. Einige Priester konnten ganz neu und tiefer zu Gott finden, tiefer als zuvor zuhause im Alltag.

Die Priester fanden auch einen Zugang zum Gedanken der Sühne. Sie sahen das Schreckliche im Lager und in Deutschland und wollten ihr konkretes tägliches Leid Gott anbieten, um für dieses Sühne zu leisten. So konnten sie in ihrem Leid einen Sinn sehen und einen Weg, Gott näher zu kommen. Das alles muss auf der Grundlage ihrer intensiven Gottesbeziehung gesehen werden. Es gibt Zeugnisse  tiefer leidenschaftlicher Liebe zu Christus, der als Erlöser sein Leben für uns gab. Diese Erkenntnis beantworteten sie mit Gegenliebe. Sie gab den Geistlichen Kraft auch im eigenen Kreuz Christus zu begegnen und ihn zu lieben.

Die Mitglieder der anwesenden Ordensgemeinschaften, darunter Jesuiten, Benediktiner, Karmeliter und Schönstattpriester trafen sich heimlich um ihre jeweilige Spiritualität zu leben und z.B. Ordensgelübde zu erneuern. Die Jesuiten gründeten sogar eine eigene Gemeinschaft im KZ Dachau und wählten einen Superior und Spiritual.

Zitate überlebender Geistlicher

über die Kapelle
"Ich sah den Blumen geschmückten Altar, sah die Beter, die auf freiem Boden knien. Ich kniete mich eine Weile dazu und wusste nicht, wie ich der Gewalt meiner Gefühle Ausdruck geben sollte."
"Sein erster Gedanke bei der Messe war: Gott hat sein Zelt in Dachau aufgeschlagen."
"Gott hat sein Zelt in Dachau aufgeschlagen. Und seine Priester nicht vergessen. Er hat schon gesiegt. Er ist der treueste Freund. Jesus ist da. Der Tabernakel ist aus Dosenblech.“ Ich bin bei euch alle Tage“ ist darauf geschrieben, in der Hölle Dachau."
"Hier opferten wir mit der Opferschale des Priesters täglich aufs Neue das schwere Opfer unserer Lagerhaft – bereit zum letzten Opfer, wenn Gott es will."
"Das Meßopfererlebnis und die sakramentale Vereinigung mit Christus in der Morgenfrühe jedes Tages in der Wegzehrung für den Gang durch den harten, hungrigen und mit schwerer Arbeit erfüllten Alltag…. Was ist es doch ein großes Glück für uns: Unser kleines Heiligtum! Es ist unsere übernatürliche Kraftquelle…..So ist das Heiligtum eigentlich unsere einzig wahre innere Freude inmitten des Leids, und unendlich viel Gnade strömt von dieser Stätte hinein in unsere Seele, unendlich viel Segen strömt von hier hinein ins Lager und über den Stacheldraht und Mauer hinaus in die Welt. Und wir freuen uns, dass Christus, der sakramentale Gottmensch, die Gefangenschaft mit uns teilt und uns hilft, sie durchzustehen."
"Ist es nicht letztlich ein Wunder der Allmacht Gottes, dass Christus im KZ ist? Was schadet er doch durch seine Gegenwart dem Teufel an seinem Werk, das er hier so groß baut!…Warum hat der Teufel es nicht unterbunden? Weil er ohnmächtig ist gegen Gott …Ist es nicht ein Sieg Christi über den Satan, dass es ihm gelungen ist, an “seine Stätte zu kommen….? Wir spüren hier gar oft die wunder Gottes…"
"Wieviel Gnade und Segen von hier ausgegangen ist, wird einst der Tag der Ewigkeit enthüllen. Sie war Wallfahrtskirche der größten Priestervereinigung der Welt. Sie war überdies auch der einigende und reinigende Sammelpunkt für das gesamte Völkerchaos in dem Lagerleben von Dachau. All diese Herrlichkeit an Segen, Kraft und Geist entströmte dem Tabernakel."
"Heiliger Raum! Was hat er uns Priester bedeutet! Was dem ganzen Lager! Wie viele Menschen aller Nationen hat er geheiligt durch Christus, den König aller Heiligen! Wie viel Tränen der Reue, Not und Buße, der Liebe und des Trostes hat dieser heilige Boden getrunken! Heiliger Raum! Du hast die Hölle von Dachau langsam für Gott zurückgewonnen, viele Stunden voll Himmelsglück uns bereitet, viele verirrte Schäflein Christi zur Herde zurückgeführt. Und wer nicht Einlass finden konnte, zu dem kam Christus selbst hinaus, getragen von seinen Priestern! – Christus in Dachau!"
"Das Eigen­tüm­li­che, das Unver­gess­li­che bei all unse­ren Mess­fei­ern, rich­ti­ger gesagt: bei unse­ren eucha­ris­ti­schen Opfer­fei­ern, war die Tat­sa­che, dass sie Fei­er­stun­den des OPFERS waren. „Wehr­los, ehr­los, recht­los“, hier in unwür­di­ger Klei­dung, in über­füll­ten Bara­cken, im Geruch des Kre­ma­to­ri­ums, in ste­ter Gefahr des Gemor­det wer­dens, sei es durch Hun­ger, sei es durch Blei und Gas, hin­ le­bend in Sorge um Mil­lio­nen Sol­da­ten, in Sorge um die bom­bar­dierte Hei­mat – wurde man von der christ­li­chen Klug­heit ange­trie­ben, sich an das eucha­ris­ti­sche OPFER zu klam­mern und alles zum hei­li­gen Opfer zu machen."
"Diese Gottesdienste in Dachau waren die Kraftquelle, aus der wir jahrelang geschöpft haben. Neben dem Gesang stand das Wort Gottes. Wie lauschten wir den Predigern, die aus dem reichen Schatz ihrer Erfahrungen zu uns sprachen, einfach und schlicht, aber auf den höchsten Stufen der Beredsamkeit, Prediger von Weltruf. Allen religiösen Bewegungen und Bestrebungen wurde Rechnung getragen…In den Wintermonaten konnte man Vorträge auf allen Gebieten der Theologie hören, Langeweile kam da nicht auf."

Verein Selige Märtyrer von Dachau e. V.

 



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