Bericht Gottesdienst 03.02.2018

Frau Dr. Chris­tina Agerer-Kirchhoff stellte uns dan­kens­wer­ter Weise Ihren Bericht über den Got­tes­dienst zu Ehren der 75. Todes­tage der Seli­gen Alojs Andritzki und Bischof Kozal zur Ver­fü­gung. (siehe unten)
Zunächst sollen jedoch die bewegenden Worte des Bischof em. Joachim Reinelt nachgelesen werden können.
Zu Beginn des Gottesdienstes betonte Bischof Reinelt die Bedeutung des Fest- und Gedenktages in persönlichen und beachtesnawerten Worten:
 
„…Sein Name, Alojs Andritzki, ein junger Sorbe, dem die Nazis gerade mal zwei Jahre erlaubt haben priesterlichen Dienst an der heutigen Kathedrale in Dresden  zu tun. Damals war es noch die Dresdener Hofkirche. Und der dann hier durch eine Giftspritze ermordet worden ist.  Genauso wie der allen ans Herz gewachsene polnische Bischof Kozal. Wenige Tage vorher starb der Bischof auf diese Weise und dann der junge Priester. Und wie viele waren es hier. Wenn man hier über dieses Gedenkfeld- kann man jetzt vielleicht sagen-  geht wo die Baracken standen und  gelitten worden ist, geweint und gehofft, vertraut und manchmal sogar gejubelt. Wir werden es nachher hören.Dann ist das eigentlich ein Ort, der so sehr Wallfahrtsort ist, wie kaum ein anderer. Denn hier ist gefordert worden und gegeben worden. Grausamkeit und ganz große Liebe zu Jesus Christus, den wir jetzt  feiern, in einem . Wobei den polnischen Priestern, der Bischof ist quasi mit seiner ganzen Diözese hier, mit allen Priestern seiner Diözese hierher geschickt worden, verbannt worden in diese Hölle von Dachau. Die Deutschen haben sich gerühmt: Wir machen aus diesem Gebiet, einen deutschen Warthe Gau. So war Schreckliches, was am Anfang einer Geschichte der Heiligen gestanden hat. Es wurde praktisch verwandelt: Hass und Erniedrigung in Liebe und Erhöhung. Deshalb feiern wir heute in unserer Diözese , da macht das mein Nachfolger, der jetzige Bischof Heinrich Timmerevers, in einer Messe im sorbischen Gebiet und in einer festlichen Messe in der Kathedrale, aber hier hat es seinen besonderen Charakter. Der Ort, wo sie ihr Leben eingesetzt haben.Liebe Schwestern und Brüder,  wir wollen uns besinnen und dann beginnen der Herrn bitten um Verzeihung dieser vielen Sünden, die gerade unser Volk auf sich geladen hat, da so viele leiden mussten. Ich habe manchmal gedacht: Gott sei Dank war ich damals noch ein Kind und hatte keine Ahnung von den Grausamkeiten.  Diejenigen, die damals mit Bewusstsein gelebt haben, die das wussten, wie hat die das belastet? Das alles wollen wir ihm in die Hände geben. „

 

Predigt:

„Warum ist ein Priester so jung  hier her gekommen? Er war ja sogar vom Nazigericht frei gesprochen.

Als er aus dem Polizeigefängnis in Dresden auf die Straße trat, hat ihn sofort die Gestapo in Haft genommen und nach Dachau gebracht. Ein Freigesprochener, ein Unschuldiger! Und  seine Schwester, die manche noch ganz lebendig vor Augen haben,  die erst vor kurzem eigentlich gestorben ist, doch nicht so sehr lange her, sie ist weit über 90 Jahre alt geworden. Sie ist den Nazis auf den Leim gerückt, mutig war das schon. Sie konnte damit rechnen, dass sie selbst dran ist. Und sie hat gesagt: „lasst doch meinen Bruder frei“, in Berlin beim allerobersten Sicherheitsamt. Wo die Nazis im Grunde genommen die Macht hatten alles anders zu entscheiden. Doch was haben die geantwortet? „Der kann sofort freikommen,  wenn er seinen Priesterrock an den Nagel hängt und für uns arbeitet.“  Ich denke das sagt alles. Und seine Schwester hat gesagt: „ Ich wusste doch, dass Alojs das nie machen würde, den Priesterrock an den Nagel hängen und für diese Verbrecher arbeiten.“ Das war der Weg in den Tod.

Lasst euch nicht verwirren. Haben wir heute gerade gehört, liebe Junge Christen, die ihr heute hierhergekommen seid, ich denke es ist ein heiliger Entschluss diese KZs in irgendeiner Form bestehen zu lassen, dass das nie vergessen wird, wie tief der Mensch sinken kann und wie eine solche schreckliche Macht tatsächlich sogar Zustimmung erfahren hat. Man kann nicht sagen, es war das deutsche Volk. Das ist sicher eine falsche Sicht, aber die Angst hat die Millionen beherrscht.  Mancher hatte sogar ein bisschen Hoffnung auf besseres Leben vielleicht auch auf mehr. Aber dann kann man doch nicht zu sehen, wie Millionen umgebracht werden. Alles unschuldigen Menschen.

Und Alojs Andritzki war zunächst im Polizeigefängnis in Dresden ja ganz nahe an seiner Kirche. Das sind nur 200 m vielleicht gewesen und wenn die Glocken seiner Kirche zu den Sonntags- und Festgottesdiensten geläutet haben,  was muss er da empfunden haben?  Es kamen Tränen und es kam Freude. Das ist ja nicht zu erklären. Wie kann jemand, der unschuldig in Haft ist, Freude darüber empfinden, dass er sozusagen auserwählt worden ist zum Leben des Märtyrers. Das ist ein geistliches Wunder.  Er hatte auch tiefe Momente, er hat auch geweint. Er hat es immer wieder in seinen Briefen beschrieben, wie es ihm ging, aber er hat auch tatsächlich beschrieben, wie er froh gemacht worden ist. Er hat fest daran geglaubt, dass der Wille Gottes auch in diesen schmerzlichen Erfahrungen, diesen grausigen Erfahrungen –  dass Gott nicht seine Hand weggezogen hat und

Alojs und all die anderen Märtyrer wie Bischof Kozal, die vielen, vielen -gerade die vielen Polen- wie viele polnische Priester es waren, die meisten die hier gewesen sind. Die meisten von ihnen noch grausamer als die Deutschen behandelt wurden. Und ich denke bei den Sorben war es so ganz nahe dran.  Slaven waren Minderheiten, im geistigen Sinn, mindere Menschen. Sie hatten nicht den Charakter der großen Deutschen. So ein Unsinn. So Verleugnung der Menschen und ihrer Würde, eine Missachtung. Das haben die ja alle gewusst und jetzt erinnere ich besonders die junge Generation aus unserer sorbischen Heimat, er war einer, der das KZ Dachau zeitweise so überwunden hat, dass er mit seiner Sportlichkeit , die waren alle geschwächt, die bekamen nichts Richtiges zu essen, mit Handstand über Tische gegangen ist, damit die mal einen kleinen Spaß hatten.  Und er hat, wie der Benediktiner, der mit ihm zusammen verhaftet worden ist, und auf jedem Weg gemeinsam gewesen ist mit Alojs, der hat dann bezeugt, die durften einmal im Jahr etwas zusammen feiern: Silvester. Sie haben natürlich nicht dem heiligen Silvester damals empfohlen die Nazis, sondern Silvester war halt wie heute noch fast ein weltliches Fest. Dann meldete sich immer jemand von den Priestern bereit das Ganze dichterisch und auch ein bisschen künstlerisch mit tollen Ideen zu gestalten. Dieser Benediktiner hat dann gesagt, „keiner hat es so gut hingekriegt wie Alojs Andritzki.“  Mit Esprit, mit Elan, mit Freude, er hat einen Abend der Erleichterung  gestaltet.

Aber was vielleicht auch interessant ist, er hat sehr, sehr oft gebeichtet. Eigentlich hätten ja die anderen beichten müssen.  Das heißt die Sehnsucht teil zu haben an der Göttlichkeit, wie es uns bei den Großen  Orationen der Feste, besonders auch an Weihnachten vorgesprochen wird gewissermaßen: „lass uns teilhaben an deinem göttlichen Leben“, hat er jede Gelegenheit genutzt das zu erfahren. Keiner an Gott, an seinem Dasein, an seinem hier sein. Und du bist bei uns. Und du bist mitten in der Hölle. Du hast den Abstieg nicht begrenzt, auf schöne Zeiten. Auf fröhliche und festliche, sondern du bist hinabgestiegen in die Hölle.  Deswegen sind wir fest davon überzeugt, dass du bei uns bist.

Das haben sicher sehr, sehr viele gedacht, geglaubt, gebetet, und dadurch mitten in der Hölle gelebt. Ich sage etwas, was uns Priestern, auch uns Bischöfen, unserer Diözese, an diesem Festtag ( 03.02., Gedenktag seliger Alojs Andritzki, Anm. d. Verf.)  ganz besonders ans Herz gelegt wird, von Alojs Andritzki  aus einem Brief vom 09.03.1941: Heiligkeit ist ja die Übereinstimmung des Menschen in allem Denken und Tun mit Gott, dem allein Heiligen. Heiligkeit bedeutet die ganze Hingabe unseres Willens an den Willen Gottes. Und jetzt wird er ganz realistisch. Das ist kein Träumer.  Wir sagen wir wissen, dass dies leichter gesagt wird als getan.

Tut gut diese Ehrlichkeit von einem, der mitten ins Martyrium geholt wurde.  Solange der eigene menschliche Wille vorherrscht, dann spürt man gar nicht die Schwierigkeiten. Aber da, wo der eigene Wille ausgeschaltet wird-  durch das Gefängnis-  und man in Lagen und Umständen ist, die einem persönlich gar nicht erwünscht sind, da erst wird eigentlich so recht deutlich die Einführung des eigenen Willens an den Willen Gottes.  Ach man kann gar nicht alles so aussprechen, was man in Gedanken erwägt, schreibt er in einem Brief an seinem Pfarrer, an seine Eltern. Aber bloße Einordnung, vielleicht noch mit Widerwillen erfüllt, ist nicht Heiligkeit. Er hat nicht einfach gesagt, das musst du halt jetzt ertragen. Nein- zur Heiligkeit gehört, das ist das Große,  der eigene freie und bejahende Wille, der dem Willen eines Höheren zugetan ist und das vor allem dann, wenn damit auch Leid und Entsagung verbunden sind. Das ist enorm. Es hat vielleicht keiner von uns, trotz unseres gemeinsamen Glaubens, so radikal und entschieden gebetet, gesprochen und gelebt. Ja, das ist Heiligkeit. Dieses Ziel hilft mir auch über alle menschlichen Schwächen. Er tut nicht so, als hätt er das sozusagen heldenhaft in der Tasche. Und jetzt sagt er: Und ich brauch mich nicht  zu schämen, zu bekennen, über manche Augenblicke, da mir die Tränen über die Wangen rollen.  Was haben die hier auch geweint, junge Männer, alte Männer, gestandene Persönlichkeiten. Getreten in den Dreck, beschimpft, bespuckt, in jeder Form,  die den Verbrecher einfiel, erniedrigt. Es gibt schon Stunden der tiefsten Verlassenheit.  Meine lieben Christen, da wollen wir uns an dieser Stelle an etwas erinnern, was uns sehr mit Alojs und mit all den Märtyrern von Dachau verbindet: Jesus hat am Kreuz auch von Verlassenheit gesprochen.  Er hat sogar gesagt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Das war sein- wir wissen, dass diese Verlassenheit, dieser Eintritt in die tiefste Dunkelheit, Jesus um der Menschen willen auf sich genommen hat, dass dies gleichzeitig der Höhepunkt seiner Leidens war und damit des neuen Lebens und seiner Auferstehung. Und deswegen möchte ich zum Schluss etwas ganz wichtiges sagen: wir sind heute nicht hier um an die Schrecklichkeiten zu erinnern, sondern wir sind hier um an etwas, was uns wichtig ist für den Glauben zu erinnern. In Jesus Christus, in seinem Wort, in der Gemeinschaft der seinen und in der Einheit mit Jesus Christus am Altar sind uns diese Märtyrer ganz, ganz nahe. Sie sind ja in ihn hinein gestorben. Sie sind ja von seiner Liebe umfangen. Sie sind ja nicht in Asche übergegangen, äußerlich ja. Wir wissen nicht, ob die Urne von Alojs Andritzki in Dresden auf dem Märtyreraltar wirklich von seinem Körper stammt, weil die Asche irgendetwas war, was die weg geschickt haben. Aber wir wissen eines ganz sicher: Untrennbar ist Alojs Andritzki, Bischof Kozal und alle anderen mit ihm verknüpft in einer tiefst, tiefsten Einheit. Und wenn wir deswegen nachher zur Kommunion gehen und in diese Einheit eintreten, dann ist in der Heiligen, der Seligen, der Glücklichen, der Gefeierten uns ganz nahe gekommen. Das ist der Grund, warum wir heute hier sind. Über das gewissermaßen erfahrene Wort, dort wo er litt und hier, wo er siegte. Amen“

 

Gedenk-Gottesdienst für Aloys Andritzki im Karmel in Dachau am 03.02. 2018

Am Samstag, den 3. Februar 2018 wurde des 75. Todestages eines fast jugendlichen Opfers der Nazi-Diktatur gedacht: Aloys Andritzki, Kaplan an der Dresdner Hofkirche, Jugendseelsorger und Kolpingpräses der dortigen Kolpingsfamilie, war im Oktober 1941 nach Dachau ins Konzentrationslager eingeliefert worden. Seine engagierte Jugendarbeit, er leitete auch die Knabenkantorei, war der Gestapo sofort ein Dorn im Auge. So konnte dieser vielfach begabte Priester nur knapp eineinhalb Jahre als Seelsorger wirken. Ab Januar 1941 im Dresdner Gefängnis festgehalten –so machte das Regime durch monatelange Internierung die Widerstandskämpfer unschädlich  –  wurde er noch auf den Stufen in die Freiheit sofort vor dem Tor des Dresdner Gefängnisses ohne jedes Urteil wieder verhaftet: „Schutzhaft“ und Fahrt im Zug nach Dachau! Welch teuflisches Wort, welch mörderische Idee, die hinter diesem Vorgehen steckte!

Aus der Heimatstadt Radibor, einem kleinen Örtchen, ca. 8 km von Bautzen entfernt, war ein großer Bus mit sorbischen Jugendlichen und ihren Betreuern in die Karmelkirche nach Dachau  gekommen. Andritzki war Sorbe. Alle Sorben sind zweisprachig, sie pflegen Brauchtum und Religion mit Hingabe. In Bautzen, das schon vor dem Krieg zwei Gymnasien hatte, ging Andritzki auf das sorbische Gymnasium. Bilingual war dort schon vor fast 90 Jahren selbstverständlich.  Dem 2011 von der katholischen Kirche seliggesprochenen, dh. als Vorbild erhobenen Aloys Andritzki haben die Sorben immer Treue und Verehrung entgegengebracht. Andritzki war keine 29 Jahre alt, als er am 3.2.1943 ermordet wurde.

Dr. Joachim Reinelt, Alt-Bischof von Dresden, war eigens für diesen Gedenk-Gottesdienst gekommen. Seine Predigt war aufrüttelnd und voller Mitgefühl für all die zahllosen Menschen, die damals in den Lagern litten und zu Tode kamen. Der Bischof erinnerte auch an den polnischen Bischof Michal Kozal. Er war eine Woche vor Andritzki, am 26.Januar 1943,  ebenfalls mit einer Giftspritze im Krankenrevier des Lagers getötet worden. Michal Kozal gehört zu den bisher über 50 seliggesprochenen Märtyrern des KZ Dachau. Der Bischof war zusammen mit 220 Priestern seines Bistums – der gesamte Klerus sollte ausgelöscht werden und ein priesterfreies Musterland „Warthegau“ entstehen – in die verschiedenen Konzentrationslager eingeliefert worden, wo zahllose starben. Alle Toten wurden grundsätzlich sofort verbrannt – damit waren alle Zeichen der Marter und des qualvollen Aushungerns und Sterbens vertuscht und zusätzlich das Empfinden der Katholiken, für die damals eine Leichenverbrennung undenkbar war, absichtlich getroffen. So sind wohl die Aschengräber der Dachauer Gedenkstätte die weltweit größte letzte Ruhestätte von Menschen, die für den christlichen Glauben und für Freiheit  – auch für unsere Freiheit! – gestorben sind, und die uns die katholische Kirche  als Selige und Vorbilder für unsere Wachsamkeit vor Augen stellt.

Der Gedenk-Gottesdienst und das Kommen der Jugendlichen nach  Dachau war ein leuchtendes Zeichen der Treue und Liebe der sorbischen Jugendlichen zu ihrem sorbischen Seligen.  Sie gestalteten den Gottesdienst mit, es erklangen mehrere der so melodischen sorbischen Lieder, zwei Kolpingbanner ehrten Andritzkis Einsatz für Kolping. Der Landrat des Landkreises Dachau Stefan Löwl, sein Stellvertreter Dr. Edgar Forster und der Pfarrer von St. Jakob, Dekan Wolfgang Borm und zahlreiche Mitglieder der Kolpingsfamilie Dachau sowie Gäste aus München und Umgebung hatten sich Zeit genommen, so dass die Karmelkirche bei diesem Gottesdienst zusammen mit den freundlichen Karmelitinnen sehr gut gefüllt war.

Dr. Christina Agerer-Kirchhoff