Interview mit dem Journalisten Klemens Hogen-Ostlender

In der Reihe Interviewfragen kann hier ein Interview mit dem Journalisten und Vereinsmitglied Klemens Hogen-Ostländer, veröffentlicht werden.

Verein Selige Märtyrer von Dachau e.V.: Was bedeuten Ihnen die Märtyrer von Dachau?

Klemens Hogen-Ostlender: Sie haben in aller Drangsal und Verfolgung nicht aufgegeben. Sie sind deshalb für mich immer wieder Ansporn, nicht in Trübsal zu verfallen angesichts der Zustände in der Welt und auch in der Kirche. Es fällt mir mitunter schwer, da nicht zu murren wie einige der Kinder Israels murrten während ihrer Wüstenwanderung. Einige, die dann von Schlangen getötet wurden. Augustinus hat uns in einer Predigt über das Ausharren in der Geduld das richtige Rezept hinterlassen: „Wir haben eher Grund, uns zu beglückwünschen, als über unsere Zeit zu murren“.

Verein Selige Märtyrer von Dachau e.V.: Wie haben Sie von Ihnen erfahren?

Klemens Hogen-Ostlender: Jedenfalls nicht bei meinem leider bisher einzigen Besuch in der Gedenkstätte 1972. Dass im KZ unzählige Geistliche eingekerkert waren, blieb mir damals als 18jährigem, der sich nicht „von selbst“ dafür interessierte, verborgen. Manche würden den Beginn der intensiven Beschäftigung mit den Märtyrern einen Zufall nennen. Aber es war eine Fügung, dass mir der Google-Algorhythmus vor einigen Jahren ungefragt ein Video anbot. Es ging es dabei um Prälat Hermann Scheipers, den letzten Überlebenden des Priesterblocks. Ich stieß dann bald auch auf die Internetseite des Vereins.

Verein Selige Märtyrer von Dachau e.V.: Warum engagieren Sie sich dafür?

Klemens Hogen-Ostlender: Damit die Erinnerung an die Verfolgung des Glaubens und derer, die einer menschenverachtenden Ideologie widerstanden, wachgehalten wird - oder dass sie erst einmal geweckt wird, was leider oft nötig ist. Eugen Weiler [Überlebender Häftling des Blocks der geistlichen, Anmerkung d. Vereins S.M.v.D] hat meinen Beweggrund in seinem Buch „Die Geistlichen in Dachau“ so ausgedrückt: „Konzentrationslager und Krematorium müssen jeden recht denkenden Menschen empören, weil er sich selbst durch das Schicksal von Mitmenschen in seiner Würde verletzt fühlt. Religion muss das letzte Wort haben, nicht Sensation. Liebe muss das letzte Wort haben, nicht Hass“.

Verein Selige Märtyrer von Dachau e.V.: Gab es dabei einen besonders schönen Moment? 

Klemens Hogen-Ostlender: Es gab einen, der mich besonders bewegt hat.  Durch die Tätigkeit für den Verein habe ich mit einigen Jahrzehnten Verspätung erfahren, dass ich einem der ehemaligen Häftlinge einst als Kind ein einziges Mal begegnet bin. Er hat mir dabei einen symbolischen Backenstreich gegeben. Das war bei meiner Firmung, als Mahnung, dass ich gegen den Glauben eines Tages auch Widerstände erfahren würde. Es war der Aachener Weihbischof Josef Buchkremer. Als entschiedener Gegner des Notionalsozialismus wurde er vor allem wegen seiner Jugendseelsorge für drei Jahre in Dachau eingekerkert. Ich denke oft bei der Arbeit und im Gebet an ihn.

Verein Selige Märtyrer von Dachau e.V.: Ist Ihnen auch ein nicht so guter Moment in Erinnerung geblieben?

Klemens Hogen-Ostlender: „Nicht so gut“ empfand ich es, als eine evangelische Pfarrerin bei einer Gedenkveranstaltung für Opfer des Nationalsozialismus neulich pauschal behauptete „Die Kirchen haben versagt“. Sind denn fast 3000 Geistliche eingesperrt und viele von ihnen brutal umgebracht worden, weil sie mit dem NS-Regime auf Kuschelkurs gingen?

Verein Selige Märtyrer von Dachau e.V.: Welcher Selige oder heilige Märtyrer beeindruckt Sie besonders? Und warum?

Klemens Hogen-Ostlender: Es beeindruckt mich immer derjenige, über dessen Schicksal ich gerade recherchiere. Aber es gibt einen, dessen Foto ich an der Wand hängen habe. Es ist allerdings jemand, für den ein Seligsprechungsverfahren erst läuft, und er hat das Konzentrationslager Dachau auch gar nicht erreicht. Der 25-jährige französische Franziskanerbruder Louis Paraire ist im „Todeszug“ von Buchenwald nach Dachau am 26. April 1945 während des Transports auf dem Güterbahnhof von Pocking vom Hunger und der Ruhr völlig entkräftet starb. Seine Priesterweihe hat er nicht mehr erlebt.

Verein Selige Märtyrer von Dachau e.V.: Was wünschen Sie dem Verein Selige Märtyrer von Dachau für die Zukunft? 

Klemens Hogen-Ostlender: Ich wünsche uns, dass wir nicht müde werden, dicke Bretter zu bohren. Dass wir mehr Menschen gewinnen, die sich nach Kräften engagieren für unsere Anliegen. Und dass wir nicht in Pessimismus verfallen angesichts manchmal langsamer Fortschritte. Wir sollten so denken, wie ein japanischer Bischof im Bistum Tokio. Den fragte Kardinal Meisner einst, wie hoch der Anteil der Katholiken an der Bevölkerung in seiner Diözese ist. Aus Ostdeutschland war Meisner Antworten im Stil von „Leider nur noch soundsoviel Prozent“ gewohnt. In Japan hörte er dagegen „Schon vier Promille!“

 

Links zu weiteren Interviews dieser Reihe:

P. Martin Holzmann, Dominikanerpater aus München, Link

Andreas Bialas, Heimatforscher, Künster und polnischer Aktivist, Burghausen, Link

Anastasiia Burgmayr, ukrainische Studentin, München, Link

Pfarrer Markus Zurl, Gräfelfing, Link

Alexander Holzbach SAC, Friedberg, Link

Herbert Köhler, Schreinermeister, Link

Heinrich Bömeke, Diplom-Ingenieur, Dachau, Link

Martin Turban, Diplomtheologe aus Bamberg, Link

Monika Volz, Erste Vorsitzende des Vereins, Verwaltungsbeamtin, Dachau, Link

 

Radio Horeb: Interview mit Monika Neudert im Tagesgespräch am 30.07.2020

Podcast zur Verfügung gestellt. Link

Radio Horeb: Interview über die Seligen Märtyrer von Dachau und den heiligen Titus Brandsma, 26. und 27.07.2022 Link