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Pfarrer Anton Lenferding

Pfarrer Anton Lenferding

Von Herrn Bernhard Stuck wurde uns dankenswerter weise ein Auszug der Pfarrchronik
zur Verfügung gestellt, mit dem Bericht des Dachau-Häftlings Pfarrer Lenferding.
Das bisher unbekannte Dokument gibt einen Einblick in seine Erlebnisse, Leiden und
sein Vertrauen auf Gott.

Aus der Pfarrchronik

Pfarrei St. Mauritius in Frankfurt am Main – Schwanheim

Pfarrer Anton Lenferding

über seine Zeit im KZ Dachau

Welche Freude, als ich von weitem

den spitzen Turm der

Schwanheimer Kirche erblickte…

Lebensdaten:

Anton Severin Lenferding wurde geboren

am 23. Mai 1886 in Hechingen / Hohenzollern.

Seine Priesterweihe war am 8. März 1909 in Limburg / Lahn.

Als Pfarrer wirkte er in St. Mauritius vom 14.12.1941 bis zum 15.02.1960.

Pfarrer und Geistlicher Rat Anton Lenferding starb am 29. Dezember 1962,

nachdem er beim Gebet vor der Weihnachtskrippe in St. Mauritius

einen Herzanfall erlitt.

Er ist auf dem Alten Schwanheimer Friedhof begraben.

Transkription: Bernhard Stuck

An der Kreuzheck 26

60529 Frankfurt am Main

Seite 3 von 26

Die Schwanheimer Pfarrchronik weist unter dem Datum 30. Mai 1945 einen höchst

bemerkenswerten Eintrag auf: In einem mehrseitigen handschriftlichen Bericht legt

Pfarrer Anton Lenferding, Lagerhäftlings Nr. 46687 im K.L. Dachau, nach der

glücklichen Rückkehr seine Erinnerungen und Eindrücke nieder.

Wegen mehrerer "Vergehen" war er bei den Nazis schon zu seiner Wiesbadener Zeit

in Verruf geraten:

1933 und 1935 wurde er bereits von der Polizei verwarnt im Zusammenhang mit

einem Überfall mit Pistolenbedrohung auf ein Jungscharzeltlager (nähere

Einzelheiten dazu sind leider nicht überliefert).

1941, sofort nach Antritt seiner Pfarrstelle in Schwanheim, erhielt er von der

Geheimen Staatspolizei (Gestapo) eine Drohung wegen seiner Weigerung, das

Schwesternhaus für den NSV-Kindergarten 1 zu räumen.

Kurz darauf, am 16.2.1942, protestierte er gegen die Entfernung der Kreuze in den

Schulen und wurde erneut von der Gestapo verhört und verwarnt.

In den ersten Monaten des Jahres 1942 versuchte er die Zwangsabgabe der

Glocken zu verhindern.

Im Oktober 1942 versagte er einer geschiedenen und zivilrechtlich Wiederverheirateten

die Sterbesakramente. Denn sie weigerte sich, die kirchlichen Lehren

über die Unauflöslichkeit des Sakramentes der Ehe einzusehen. Was dem

Geistlichen dabei als "Vergehen" vorgeworfen wurde, war die Herabsetzung der

Zivilehe und ihre Nichtanerkennung als wahre Ehe. In diesem Fall kam erschwerend

hinzu, dass Pfarrer Lenferding versucht habe, "die Ehe eines Frontsoldaten

zu trennen" und "dadurch die Front und die Heimat beunruhigt" habe.

Als er durch bauliche Maßnahmen die Nutzung des Goldsteiner Pfarrsaales durch

die NSV-Goldstein unmöglich machte, zog er allen Zorn der Gestapo auf sich, was

umgehend zu seiner Verhaftung und Deportation führte.

Erst nach mehr als zwei Jahren sollte er wieder in Freiheit zurückkehren.

In einem Nachwort schreibt Lenferding, nicht anklagend, aber sachlich feststellend,

dass nicht zuletzt auch einige Schwanheimer Katholiken Stimmung gegen ihn

machten und damit indirekt nicht ganz unschuldig waren. Mit ihrer ausgesprochenen

Losung, ihn wieder von hier weg haben zu wollen, haben sie leichtfertig sein Leben

und seine Gesundheit aufs Spiel gesetzt.

Der Respekt vor dem Authentischen legt eine ungekürzte Wiedergabe des Zeitzeugenberichtes

nahe, einschließlich Satzzeichen, Unterstreichungen, orthografischer

Fehler und nach alter Rechtschreibeordnung 2. Ergänzend wurden Fußnoten

aufgenommen, die Besonderheiten des in Sütterlin verfassten Originals enthalten wie

Randnotizen und Einschübe, vor allem aber für die jüngeren Generationen auch

1 N.S.V. = National Sozialistische Volkswohlfahrt, 1932 in Berlin gegründet, trug mit ihren ständig expandierenden

Wohlfahrtseinrichtungen, Gesundheitsprogrammen und sozialfürsorgerischen Initiativen wesentlich zur propagandistischen

Selbstdarstellung des NS-Regimes bei

2 Ausnahme: Die Namen betroffener Schwanheimer Bürger sind hier nicht mit abgedruckt

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einige Begriffe und historische Zusammenhänge näher beleuchten. Lebensdaten und

Angaben zu Mitgefangenen stammen vom Verein Selige Märtyrer von Dachau e.V.

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Abschrift aus der Pfarrchronik St. Mauritius Frankfurt-Schwanheim, Seiten 68 - 82

[auf Seite 68]

30. Mai 1945

Wie oben bemerkt 3, bin ich am Pfingstsonntag nachmittag 4 ½ Uhr unerwartet hierher

zurückgekehrt. Am Gründonnerstag, den 29. März, entlassen aus Dachau 4, zusammen

mit 4 anderen Pfarrern, darunter Prälat Ulitzka aus Oberschlesien, begab

ich mich zunächst nach Utting am Ammersee, wo ich mich im Caritas-Haus der

Diözese Augsburg sechs Wochen lang erholen konnte. Dort wirken 4 Schwestern von

der Hl. Familie aus München. Das Haus war für die Kinderland=verschickung der

N.S.V. beschlagnahmt. Die Schwestern durften im Souterrain bleiben, um den Haushalt

zu führen. Dortselbst traf ich den Diözesan-Karitasdirektor Msg. Nar von Augsburg,

der sich meiner annahm. Großen Dank schulde ich der Oberschwester Regina

Krämer aus Frankfurt, die mir schon vorher in das Konzentrationslager Dachau

Pakete mit Lebensmitteln gesandt hatte. In Utting unterstützte ich den Pfarrer Anton

Steinle in der Seelsorge; las die hl. Messe meist in der Pfarrkirche, besonders hielt

ich den Kindergottesdienst in der Kirche der Dominikanerinnen (St. Leonhard). An

eine Rückkehr nach Frankfurt war einstweilen nicht zu denken. Nachdem die

Amerikaner am 1. Mai und danach eine französische Division Utting besetzt hatten,

konnte ich am 8. Mai einen Reisepaß bis Augsburg erhalten. Am Tage nach Christi

Himmelfahrt, den 11. Mai, trat ich den Rückweg an; am ersten Tage 40 km zu Fuß

bis Mehring, 15 km südlich von Augsburg. Von da nahmen mich 3 aus dem Feld

entlassene Soldaten auf ihrem offenen Fuhrwerk mit; 9 Tage dauerte die Fahrt über

Augsburg, Donauwörth, Nördlingen, an Crailsheim vorbei durch die Ellwanger Berge,

Ailringen, Battenberg, Rosenberg, Altheim, Walldürn, Miltenberg, Wörth, Stockstadt.

Von da nahm mich ein Kohlenauto mit über Seligenstadt, Bieber, Offenbach nach

Frankfurt-Wilhelmsbrücke 5. Nun ging es mit dem Rucksack auf dem Rücken über

Oberforsthaus durch den Wald dem Gleise der elektrischen Bahn entlang nach

Schwanheim 6. Welche Freude, als ich von weitem den spitzen Turm der Schwanheimer

Kirche erblickte. Bald erkannten mich nahe bei Schwanheim im Walde zwei

Familien, die mich nach Hause begleiteten. Welch glückliches Wiedersehen mit

meiner treuen Haushälterin Maria Heider, die seit zwanzig Jahren mir so treu gedient

und die furchtbare Zeit des Krieges überstand, besonders die beiden letzten Jahre

mit den steten Fliegerangriffen, dem Brand des Pfarrhauses und dem Tod des

Kaplan Hubert Drees S.J. 7 so tapfer überstand. Wie will ich mich nach den

Erlebnissen und Entbehrungen in Gefängnis und Lager Dachau bescheiden in dem

sehr mitgenommenen Haus, und arbeiten in der Pfarrei Schwanheim, für die ich so

3 bezieht sich auf den vorherigen Chronikeintrag von Pfarrkurat Eduard Nonn am 28. Mai zur Rückkehr von Pfr. Lenferding

4 erst einen Monat später, am 29. April 1945, wurde das Lager von der amerikanischen Armee befreit. Am 26. April 1945 wurden in

Dachau 67665 Gefangene registriert, darunter 22100 Juden; an diesem Tag wurden über 7000 von ihnen gezwungen, unter

Bewachung der SS nach Süden zu marschieren. Während des Marsches wurden alle erschossen, die nicht mehr weitergehen

konnten, viele starben an Hunger, Kälte oder Erschöpfung. Anfang Mai 1945 wurden die einzelnen Marschkolonnen von

amerikanischen Truppen übernommen

5 heute Friedensbrücke

6 heute führt die Straßenbahnlinie nicht mehr südlich von Niederrad durch den Wald entlang der Golfstraße, sondern über den SBahnhof

Niederrad

7 er erlitt am 27. März 1945, dem letzten Kriegstag für Schwanheim, am Fenster des Pfarrhauses von Scharfschützen der SS auf der

gegenüberliegenden Mainseite einen Kopfschuss und erlag noch am gleichen Tag dieser schweren Verletzung im Schwesternhaus

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viel gebetet und gesühnt habe. Wenn ich nur Ruhe und Dankbarkeit finde und eine

ehrliche, treue Aufgabe als Seelsorger, der es gut meint.

[auf Seite 69]

Mein Leidensweg nach Dachau und die „Schutzhaft“ 8 im Konzentrationslager

Dachau 9

Im Oktober 1942 wurde ich abends zu einer jungen Frau gerufen, die einen Herzanfall

hatte, um sie zu versehen (NN) 10. Es stellte sich heraus, daß diese von ihrem

Mann, der katholisch war, geschieden war und mit einem anderen katholischen Mann

civil getraut, zusammenlebte. Dieser war zum Militär eingezogen. Da die Kranke sich

entschieden weigerte, auf die kirchlichen Forderungen einzugehen, konnte ich ihr

leider die hl. Sakramente nicht spenden. Ihren in der Küche anwesenden Eltern legte

ich den Sachverhalt klar. Sie wollten aber ebenso wenig die kirchlichen Lehren über

die Unauflöslichkeit der Ehe einsehen und drohten mir wegen Verweigerung der hl.

Sakramente mit Vorgehen gegen mich. Ruhiger und freundlicher kann kein Priester

handeln als ich gegenüber der Kranken und ihrem katholischen Vater. Die Mutter ist

evangelisch. Der Bruder der Kranken begleitete mich auf dem Heimweg und erklärte

mir ausdrücklich, daß er meinen Standpunkt verstehe: Ich könnte nicht anders

handeln. Nach einiger Zeit erfuhr ich, daß die Ortsgruppe der NSDAP. NN 11 ein

Protokoll aufstellte, zu dem Vater und Sohn NN 12 herangezogen wurden.

Am 4. Dezember wurde ich nachmittags gegen 2 Uhr von der Gestapo-Frankfurt telefonisch

bestellt, sofort zu erscheinen. Dort wurde ich von dem Gestapo-Kommissar

Thorn mit Unterbrechung 3 Stunden lang verhört. Ich sollte mich zu dem Fall-NN 13

äußern und meine Schuld eingestehen. Ich erwiderte und ließ zu Protokoll geben: Ich

habe nichts anderes gesagt und getan, als was jeder katholische Priester in einem

derartigen Fall tun muß. Ich habe nur meine Pflicht getan. Trotzdem wurden mir

einige total unwahre Beschuldigungen vorgeworfen und ich schließlich mit der

Bemerkung entlassen, ich müßte mich auf das Schlimmste gefaßt machen. Fast

3 Monate vergingen nun in banger Sorge. Dem hochwürdigsten bischöflichen

Ordinariat in Limburg ließ ich in den nächsten Tagen durch Domkapitular Merkel über

mein Vorkommnis berichten; der beruhigte mich. Bald erfuhr ich durch Pfarrer

Clemenz Nay in Griesheim, daß ein geheimer Erlaß von Berlin an die Ortsgruppen

8 der Begriff der Schutzhaft war der Rechtstitel, unter dem der überwiegende Teil der Häftlinge in die Konzentrationslager

eingeliefert wurde. Die Verhängung der Schutzhaft, die zunehmend an die Stelle gerichtlich verfügter Haftstrafen trat, bedeutete so

auch einen Bedeutungs- und Machtverlust der Justiz

9 die Konzentrationslager (KZ) waren Mittel der Nationalsozialisten, alle ihnen missliebigen Personen - Juden, Kommunisten,

Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Sinti und Roma, Kriegsgefangene - zu inhaftieren und physisch zu vernichten. Die wenigsten

Konzentrationslager waren wie Auschwitz direkte Vernichtungslager. In der Regel wie auch im KZ Dachau war die Devise, die

Häftlinge so lange auszubeuten, bis sie durch die Arbeit vernichtet werden. Jeder Häftling, der dem deutschen Kapital Profit bringen

konnte, wurde zur Zwangsarbeit eingesetzt. Kinder, Alte und Kranke wurden als “unnütze Esser” sofort getötet. Die

Konzentrationslager sind Ausdruck der totalen Ausbeutung. Bis 1936 war das KZ Dachau mit 5000 Gefangenen das größte KZ in

Deutschland

10 hier stehen Name und Geburtsname der Frau

11 hier steht der Name eines Ortsgruppenmitgliedes aus der Vogesenstraße

12 hier steht der Name

13 hier steht der Name

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gegangen sei, alle Fälle, in denen sich Geistliche während des Krieges in Ehesachen

mischten", zu berichten.

Nun kam ein neuer Vorfall: Mit Gutheißung der bischöflichen Behörde wurde vom

Kirchenvorstand der Ausbau einer Wohnung in der Siedlung Goldstein 14 für den

dahin versetzten Kaplan Theodor Schäfer in Höhe von 3000 RM beschlossen und

durchgeführt. Alle zuständigen Stellen, darunter Bauamt und Arbeitsbewilligungsamt

hatten ihre Zustimmung gegeben. Dadurch kamen die Schwestern der Siedlung in

den ehemaligen Pfarrsaal zu wohnen. Die NSV-Goldstein soll ihn für ihre Zwecke ins

Auge gefaßt haben. Im Januar war alles soweit fertig, die NSV. erkannte, daß ihr der

Saal entgangen war, und erhob nun eine wütende Klage in Frankfurt. Bald darauf

erschien Thorn von der Gestapo, besichtigte den Ausbau der Wohnung, hielt Haussuchung

bei Rektor Th. Schäfer und nahm die Bauakten, die er vorfand, mit. Sie

trugen natürlich meine Unterschrift.

Am 23. Februar 1943 nachm. gegen 2 ½ Uhr wurde ich wieder von der Gestapo telefonisch

zu sofortigem Erscheinen angerufen. Als ich hinkam, wurde ich von Thorn

wegen der Einrichtung einer "sieben Zimmerwohnung" für den Geistlichen beschimpft

und sofort verhaftet. Nachdem ich als „Verbrecher" von 3 Seiten fotografiert war, wurde

ich durch einen Gestapo-Beamten mit der Elektrischen 15 in das Polizeigefängnis

eingeliefert. Letzte Mahnung des Thorn war: „Wagen sie ja keinen Fluchtversuch"!

[auf Seite 70]

Alles wurde mir im Gefängnis abgenommen, auch Brevier 16 und Rosenkranz. Unbeschäftigt

brachte ich 10 Tage daselbst zu, eingesperrt in eine enge Zelle; nachts

hatte ich eine Pritsche, die abends von der Wand abgenommen und auf den Boden

gestellt wurde. Das Fenster wurde morgens ¼ Stunde zur Lüftung geöffnet, meist

durfte ich am Tage ¼ Stunde im Hof des Gefängnisses umhergehen. Den ganzen

Tag war ich mit Gott allein in innigem Gebet. Das Aufregendste war der Lärm im

Hause Tag und Nacht. Die Wachtmeister waren stumm und sehr kühl. Bald wurde ich

von einem Arzt auf Transportfähigkeit untersucht. Als ich gelegentlich Wäsche von

Hause erhielt, war auch ein Brevier dabei. Welche Freude!. Die dauerte nicht lange.

Die Wache bemerkte es. Es gab eine große Aufregung darüber, Verhör beim

Direktor, woher es stamme und Wegnahme zu meinem Kummer. Da der Typhus im

Polizeigefängnis ausbrach, wurde ich nach 10 Tagen in das Untersuchungsgefängnis

gebracht. Dort war es etwas besser; ich konnte mich mit Tütenkleben beschäftigen,

hatte mein Brevier heimlich, und bekam montags ein Buch zum Lesen. Als Gestapo-

Gefangener durfte ich dem Gottesdienst nicht beiwohnen, auch vom Gefängnis-

Geistlichen nicht besucht werden. Bei den täglichen Promenaden im Kreis erblickte

ich unter den Gefängnis-Insassen einige Pallottiner, die das gleiche Schicksal wie ich

hatten: Gestapo-Opfer. Hatte Thorn im Polizei-Gefängnis einmal nach mir gesehen,

so wurde ich vom Untersuchungsgefängnis mal mit anderen nach der Lindenstraße

(Gestapo-Haus) im Gefängniswagen gebracht und dort nach einer kurzen

Besprechung mit meiner Haushälterin, Fräulein Heider, in den Keller auf einige

14 in der Siedlung Goldstein ist als Randnotiz ergänzt

15 ortsübliche Bezeichnung für die elektrifizierte Straßenbahn in Frankfurt, früher Pferde- und Dampfstraßenbahn

16 Bischöfe, Priester und die meisten Ordensgemeinschaften sind zum täglichen Stundengebet verpflichtet. Das Chorgebet wird

gemeinsam in der Kirche (im Chor) verrichtet. Wer vom gemeinsamen Stundengebet befreit ist, z.B. Priester, spricht das

Stundengebet privat nach dem Brevier, einem Buch mit den Texten

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Stunden gesperrt. Meine treue Schwester Else besuchte mich zweimal in der

Haftzeit, einmal mit einem Verwandten, Postrat Karl Baur. Der zweite Besuch war am

Tage vor meinem Transport nach Dachau. An den Abschied von ihr kann ich kaum

denken, ohne aufs tiefste erschüttert zu werden. Von Tag zu Tag wurde in der

Ungewissheit, was mit mir geschehen würde, mein Gebet um Befreiung aus der

engen Zelle inniger und meine Hoffnung auf Befreiung geringer. Am Fest des hl.

Erzengels Gabriel merkte ich, daß es eine Änderung mit mir geben würde; abends

wurde mir bedeutet, daß ich mich am nächsten Morgen zur Abfahrt nach Dachau

bereit zu halten habe. Immer tiefer ins Unglück hinein!

Am 25. März 1943. wurde ich mit einigen Gefangen im Gefängniswagen zum Polizeigefängnis

am Hauptbahnhof gebracht und daselbst mit etwa 150 Gefangenen bis zur

Abfahrt des Zuges verwahrt. Um 10 Uhr etwa wurden wir in 2 Zellen=Gefangenen=

Eisenbahnwagen gepfercht, wo ich mich unter 7 Ausländern, jungen Spaniern 17 und

Belgiern befand, die, wie sie sagten, zu 4 und mehr Jahren Zuchthaus wegen Diebstahl

verurteilt waren, und in ein Lager bei Dieburg gefahren wurden. Später war ich

mit einem jungen Mann allein, ebenfalls ein Zuchthäusler, der nach .?.ich 18 transportiert

wurde. Er war tuberkulos. Mit ihm teilte ich mein belegtes Brot. Zu essen gab

es den ganzen Tag nichts mehr, höchstens einen Schluck Wasser zu trinken. Endlich

kamen wir abends nach 7 Uhr in Nürnberg an. Wie die anderen wurde auch ich mit

einem Gefangenen zusammengekettet und so durch den Bahnhof in einen Keller

geführt. Ich trug geistliche Tracht. Ein trauriger Gang durch die vielen Passanten im

Bahnhof.

[auf Seite 71]

In der Turnhalle zu Nürnberg.

Gegen 9 Uhr abends wurden wir im Gefangenen=Wagen in die ziemlich weit entlegene

Turnhalle gebracht, um da zu übernachten. Das Polizei=Gefängnis war

nämlich durch Bombenangriffe zerstört. Hier verbrachten wir eine Nacht, die wohl

allen Häftlingen nie aus dem Gedächtnis schwinden wird. Der Saal war bei unserer

Ankunft zu 2/3 belegt. Gelegenheit zum Sitzen oder Liegen war nicht mehr vorhanden.

Ich schätze, daß um 400 Gefangene dort waren, von allen Seiten hierher zusammengebracht,

um von Nürnberg aus weiter nach den verschiedensten Teilen des Reiches

in Haftanstalten oder Lager befördert zu werden. Meist scheinen es nur Ausländer zu

sein. In einer Ecke standen eine Anzahl gewöhnlicher Blechtonnen, alte Benzinfässer,

für die Erledigung der Bedürfnisse, zum Überlaufen voll, die einen gemeinen

Gestank im Saal entwickelten. Endlich war die lange Nacht vorüber; gegen 10 Uhr

gab es eine Suppe und dann wurde eine Anzahl, darunter ich, zum Weitertransport

aufgerufen. Jetzt sah ich am Tage, daß die Turnhalle neben einem großen Zentralgefängnis

gelegen ist. Gott Dank, daß ich von hier schnell weg kam. Andere waren

schon tagelang in diesem schrecklichen und schmutzigen Raum. Die Nürnberger

Polizei erwies sich in ihrem saugroben Ton noch weniger human als die preußische.

Die Fahrt nach Dachau, wieder in einem Zellen=Eisenbahnwagen dauerte bis abends

6 ½ Uhr. Der preußische Polizist war freundlicher, erzählte mir, das Lager Dachau

17 Spanier ist nicht gesichert zu entziffern

18 Ortsangabe ist unleserlich, endet mit …ich

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gelte zur Zeit als eines der besten, und erwies mir einige Freundlichkeiten. Wie

manche unglückliche Menschen habe ich in diesen beiden Tagen kennengelernt! Es

ist entsetzlich, in die Hände dieser erbarmungslosen und grausamen Knechte

Himmlers und Hitlers zu fallen. Ein kurzer Blick durch das Gitterfenster zeigt mir bei

der Fahrt durch den Fränkischen Jura eine friedliche Landschaft mit einem kleinen

Bauerndorf. Die Leute arbeiteten auf dem Feld. Wie habe ich sie um ihre Freiheit

beneidet und gedacht, wäre ich doch hier Pfarrer in der stillen Einsamkeit des

Landes, fernab vom Getriebe der bösen Welt. Da kam mir der Gedanke an den

Erzengel Raphael, der den Tobias auf der Reise behütete und ihn glücklich, wenn

auch nach langer Zeit, ins Vaterhaus zurückbrachte. Ihm empfahl ich mich mit einem

felsenfesten Vertrauen und bat ihn, zugleich mit dem Erzengel Gabriel, mich wieder

gesund heimzubringen. Dann wollte ich meinen Mitmenschen nur Güte und Liebe

erweisen. Mit Gottvertrauen wollte ich an die kommenden Zeiten denken. Haben es

andere in Dachau schon jahrelang ausgehalten wie die beiden anderen Pfarrer aus

der Diözese Limburg, Breidecker 19 und Hurm 20, dann werde ich es auch mit Gottes

Gnade überstehen. Daß meine Feinde allerdings meine Vernichtung im Auge hatten,

wurde mir immer klarer. 21

Am 26. März 1943 kam ich mit einigen anderen Männern im Konzentrationslager

Dachau an. Vom Bahnhof Dachau bis dahin ist eine halbe Wegstunde. Wir wurden

gefahren. Um das eigentliche Lager liegen Fabrikgebäude, Kasernen, Arbeitstätten,

SS=Betriebe, Wohnungen für die SS=Wachtmannschaften und eine Villa mitten im

schönen Garten für den Herrn Lagerkommandanten. Verschiedene Tore wurden

passiert, es ging durch das eiserne Gittertor am sogenannten Jour-Haus 22: Wir

waren im Lager hinter dem mit Hochspannung geladenen Stacheldraht. Vor uns ein

großer freier Platz, zur Rechten der Aufnahme=Kleider=Raum, Bad, Küche,

Wäscherei, Wäsche und Schuhmagazin.

[auf Seite 72]

Zur Linken lag vor uns das Barackenlager, je 15 langgestreckte Baracken auf jeder

Seite der senkrecht zur Einfahrtsstraße verlaufenden Lagerstraße. Das Ganze ein

Komplex wie für eine Stadt. Hinter dem langgestreckten Küchen= und Badehaus liegt

der sogenannte Bunker, ein Gefängnis, teils für die sogenannten „Ehrenhäftlinge“, für

die Häftlinge aus dem Lager, die besonders bestraft wurden, und für die SS. Männer,

die dort „Knochenmänner“ hießen, wegen ihres Abzeichens auf dem Kragen

(2 übereinanderliegende Beinknochen mit einem Totenschädel).

Die Aufnahme im Lager ging nun vor sich: Zunächst Wegnahme sämtlicher Kleider,

der Wäsche, Schuhe, Effekten 23 und aller Gegenstände bis auf die Brille. Dann sche-

19 Breithecker, Wilhelm, Pfarrer, Diözese Limburg, *31.1.1897, Dachau 14.12.1940- 28. 3.1945, entlassen, Verhaftungsgrund:

Neudeutschlandbewegung

20 Hurm, Emil, Pfarrer, Deutschland, Diözese Limburg, * 23.06.1894, KZ Dachau 14. 12. 1940- 29. 3.1945, entlassen,

Verhaftungsgrund: Christkönigspredigt

21 die zeitliche Phase des Lagers Dachau kann für die Jahre 1942 bis 1945 charakterisiert werden als Ökonomisierung des

Konzentrationslagers, Ausweitung der Häftlingsarbeit, Vernichtung durch Arbeit

22 das Jourhaus war der einzige Zugang zum Konzentrationslager. " Arbeit macht frei " stand in der Mitte des Tores. Rechts und

links lagen die Wachstuben der SS, darüber die Diensträume der Lagerverwaltung

23 Effekten sind die persönlichen Gegenstände wie Uhren, Geld, Fotos, Ringe usw., die gegen Quittung in der Effektenkammer in

Umschlägen mit dem Namen des Eigentümers aufbewahrt wurden

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ren der Haare auf dem Kopf und am ganzen Körper, Feststellung der Personalien,

Bad unter der Dusche und Entlausung. Hierauf neue Bekleidung: ein kurzes Hemd,

eine gewöhnliche, zu kurze und enge Unterhose und Hose, ein Paar alte Socken, ein

Paar Holz=Pantoffel, ein enger Zivilrock und eine runde Häftlingsmütze. So wurden

wir in die Baracke 30, den sogenannten Aufnahmeblock, geführt. Wegen der furchtbaren

Typhusepidemie, die im Winter 1942/43 herrschte, waren alle Blocks isoliert.

Damals waren schon 50% der polnischen Priester (1200) und 25% der deutschen

Priester im Lager gestorben oder gestorben worden. In der Stube 4, auf die ich verwiesen

wurde, waren 187 Häftlinge eng zusammen gepfercht. Je 2 schliefen in einem

Bett, d.h. besser Holzgestell mit einem Holzwolle Sack und 2 Decken. Ich kam zu

liegen zwischen einem über 70 Jahre altem Essener Kaufmann, der 25 Jahre seines

Lebens im Zuchthaus zugebracht hatte und einem Kellner aus Wien. Übermüdet

durch die Strapazen und Aufregungen der vergangenen Tage hatte ich keine Kraft,

über mein furchtbares Geschick nachzudenken. Ich schlief sofort ein. Auf dieser

Baracke blieb ich 4 Wochen; einen Sitzplatz hatte ich nur selten im Tagesraum. Meist

lief ich tagsüber auf der Blockstraße auf und ab, musste mein Essen fast immer

stehend einnehmen, und war froh, wenn ich dem Gedränge der bunt zusammengewürfelten

Menschen aus den verschiedensten Nationen entgehen konnte. Hunger

und Unglück machen den Menschen neidisch, verbittert, manche sehr egoistisch, ja

sogar zu Spöttern und Peinigern ihrer unglücklichen Gefährten; besonders Priester

waren manchen verhasst. Häftlinge, die ein Amt hatten, spielten sich zu Tyrannen

auf. Den ganzen Tag über in der Stube Schimpfen, Kommandieren, und Lärm. Wenn

ein SS-Wachsoldat erscheint, muß alles aufspringen und stramm stehen. Lautlose

Stille. Der verachtende Blick des SS-Mannes sucht in der Stube herum, bis er nach

einiger Zeit wieder „abhaut“. Aufstehen im Sommer 4 Uhr, im Winter um 5 Uhr, die

Geistlichen auf Block 26 eine halbe Stunde früher, weil sie vor dem Appell hl. Messe

haben.

[auf Seite 73]

Eines Tages erschien der SS. Oberscharführer Welters, ein abgefallener Katholik,

ließ uns antreten wegen Einsatzes zur Arbeit, fragte jeden nach seinem Grund seiner

Verhaftung und hielt eine Ansprache: „Bildet euch nur nicht ein, daß der Krieg

schlecht ausgeht. Und sollte er verloren gehen, so werdet ihr alle erschossen. Oder

bildet ihr euch ein, wir ließen uns von euch erschießen?“

Mitte April wurde ich in Arbeit gestellt und kam in die sogenannte Plantage, ein am

Lager liegender Gärtnereibetrieb, wo in Treibhäusern und auf offenem Gelände allerhand

Gewürzpflanzen gezogen wurden, wie Kümmel, Pfeffer, alle möglichen Sorten

von Heilkräutern. Auch eine große Gladiolenzucht war daselbst, da aus den Gladiolen

Vitamine hergestellt werden 24. Unter dem Capo 25 Stadtdekan Ott 26 aus Mainz

24 vom Jahre 1941 an genossen die Geistlichen nach einer Vereinbarung des Vatikans mit der nationalsozialistischen Regierung eine

Reihe von Vergünstigungen. Dazu gehörte als Arbeitsplatz der Geistlichen die Plantage, ein der SS gehörender landwirtschaftlicher

Betrieb mit dem offiziellen Namen "Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung GmbH". Polnische Geistliche

blieben von den Vergünstigungen ausgenommen

25 die SS lässt die innere Verwaltung des Lagers durch Häftlinge bewerkstelligen. Damit geben sie Arbeit ab und versuchen vor

allem, die Häftlinge gegeneinander auszuspielen. Die innere Lagerverwaltung sieht folgendermaßen aus: Die wichtigsten Stellungen

sind die der Lagerältesten. Darauf folgten die Kapos. Das Wort Kapo ist aus dem Italienischen abgeleitet von capo = das Haupt. Die

Kapos führen neben den SS-Aufsichtsführern die Aufsicht bei der Arbeit. Andere mit Häftlingen besetzte Stellungen sind die der

Blockältesten und des Stubendienstes

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musste ich in einer Hütte Kunstdünger schaben. Am Abend des ersten Tages kam

ich aber wegen hohen Fiebers ins Revier 27. Ich hatte Angina und war bedenklich

krank und schwach. Nach drei Wochen wurde ich als geheilt entlassen. Ein Arzt hat

sich um mich gekümmert; die Behandlung lag in der Hand eines Pflegers. In den

ersten Tagen kam ich dann auf Block 26 28 Stube 4, auf den sogenannten Priesterblock.

Während die polnischen Priester alle für sich auf Block 28 untergebracht

waren, befanden sich auf Block 26 die deutschen und die Priester der anderen

europäischen Nationen: Franzosen, Belgier, Jugoslawen, Italiener, Schweizer,

Österreicher, Sudetendeutsche. Hier war es besser als auf Block 30. Ich hatte ein

eigenes Bett, war unter Priestern, und konnte in der zur Kapelle 29 eingerichteten

Stube 1 täglich die hl. Messe besuchen und die hl. Kommunion empfangen. Der

Stubenälteste, ein Kommunist aus Nürnberg, der „Hannes“, war zwar ein lauter

Schreier, aber sonst gutmütig. Zur Arbeit wurde ich jetzt in die Kabelzerlegung

geschickt 30. Dies war ein SS=Betrieb, in den aus den erbeuteten und geraubten

Untersee= und Unterlandkabeln sowie aus allen möglichen elektrischen Apparaten

die Metalle durch Zerlegung gewonnen und ausgesondert wurden: Blei, Kupfer,

Wolfram etc. Die SS. hat dann die Metalle an die Wehrmacht zur Munitionsbereitung

verkauft. Eine gute Einnahmequelle für diese Aktiengesellschaft der SS. 450 Häftlinge,

darunter viele Russen, deutsche und polnische Priester, arbeiten dort von

morgens 6 – abends 6. Es war eine schmutzige Arbeit. Nach einigen Tagen kam ich

an eine elektrische Maschine mit 7-8 Messern, die den Bleimantel der Kabelstücke

zerschnitten. Die Leitung hatte der SS. Oberscharführer Strohsenreuter, ein

mürrischer und roher Schreier, der vor allem die Pfarrer haßte. Der Lärm durch das

Hämmern der Ambosse war auf die Dauer unerträglich. In der 4. Woche gelang es

mir durch einen SS.-Arzt unter Hinweis auf meine kranken Ohren, aus dem Betrieb

herauszukommen. Es war keine leichte Mühe.

Daraufhin nahm mich der Oberkapo Jakob Koch, der Wirt des Gasthauses „Schwarze

Katze in Zell a. Mosel, der 10 Jahre bereits im Lager war, in das Kommando

Desinfektion auf. Zunächst war ich in der Karton=Zerlegung tätig. Alte Pakete der

Lagerinsassen, in denen sie Lebensmittel erhielten, wurden hier abgegeben,

auseinandergelegt und in schwere Ballen zusammengeschnürt, um an eine Papierfabrik

in München verkauft zu werden. Den Gewinn strich natürlich die SS. ein. Schon

nach wenigen Tagen wurde ich in die Strohsack=Näherei aufgenommen. Dort waren

10-15 ältere Pfarrer, katholische und evangelische, tätig. Hier wurden die Schlafsäcke

für die Baracken (Papiersäcke) schmäler genäht, passend für die Schmalbetten

der Häftlinge, und dann in dem Raum nebenan von einem anderen

Kommando mit Holzwolle gefüllt und festgestampft. Hier war es eher auszuhalten als

in der Kabelzerlegung. Koch war ein guter Mann; vielen älteren oder kränklichen

Priestern hat er durch die Aufnahme in sein Kommando das Leben gerettet. Leider ist

26 Ott, Adam, Pfarrer, Dekan, Deutschland, Mainz, *23.08.1892, KZ Dachau 24.10.1941- 29.03.1941, entlassen, Verhaftungsgrund

zersetzende Äußerung in Predigt

27 gleich am Anfang, rechts der Lagerstraße, lagen die Revierbaracken ( Krankenbau ). Nach 1939 machte eine erschreckende

Zunahme von Krankheitsanfällen und Seuchen die Erweiterung des Häftlingslazaretts von 2 auf 13 Baracken erforderlich

28 als Randnotiz ist zusätzlich angefügt: Block 26.

29 auch die am 15.1. 1941 eingerichtete Lagerkapelle gehörte zu den Vergünstigungen gemäß der Vereinbarung des Vatikans mit

der NS-Regierung

30 als Randnotiz ist angefügt: Arbeitskommando

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er im Winter 1945, nach dem er eine Gesäßrose überstanden hatte, an Flecktyphus

gestorben. Ich kann ihm nur ein dankbares Andenken bewahren und des armen

Mannes im Gebet gedenken. Wie hatte er sich auf die Freiheit gefreut. An seinem

Namenstag im Juli 1944 war ich bestimmt, ihm die Glückwunschrede zu halten; dabei

habe ich ihm im Namen aller gedankt und seine gütige Barmherzigkeit gepriesen.

R.i.p.

[auf Seite 74]

Als Capo des Desinfektionskommandos fungierte ein ehemaliger Rotspanienkämpfer

31, ein Fuhrmann aus Wien „Max“ genannt, der ganz manierlich war, solange er von

den Pfarrern des Kommandos mit Lebensmitteln, besonders Wurst und Speck aus

den Paketen versorgt wurde. Meist war er mit seinen etwa 15 jungen Russen, die

einen Rollwagen ziehen mußten, auf Transport im Lagerbereich unterwegs. Die SSBlockführer,

die zur Kontrolle kamen, meist alle Wehrmachtsoldaten, die man in die

SS-Uniform gesteckt hatte, fühlten sich scheinbar bei uns ganz wohl. Sie blieben oft

1-2 Stunden da, schliefen in einer Ecke oder unterhielten sich mit dem humorvollen

Erzähler, Pfarrer Siegfried Würl aus Tirol. Andere Mitglieder des Arbeitskommandos

waren der protestantische Pfarrer Zippel aus Schlotheim in Thüringen 32, Pfarrer Karl

Hilmes 33, ein netter junger evangelischer Pfarrer, der reformierte Pfarrer Thurmann

aus dem Rheinland, der Karitasdirektor Carls aus Elberfeld 34, der ehrwürdige 65-

jährige Dekan Wessing aus Hoetmar 35, Diözese Münster, der schlesische Pfarrer

Bujakowski 36, die polnischen Pfarrer Kaminski 37, Sypinski, Klewitzsch 38, der

Franziskanerpater Alkuin, der Luxemburger Dominikus Trausch (einer meiner besten

Freunde, ein edler herzlicher Mann, der einen Monat nach seiner Heimkehr

gestorben ist). Nicht zu vergessen der gute Hauptmann Jakobi, ehemals Chef der

luxemburgischen Polizei= und Militärgruppe. Alles war ihm von den Deutschen

genommen. Seine Frau und die 17 jährige Tochter waren in einem schlesischen

Konzentrationslager. Erwähnen muß ich auch Les Fabing 39, einen lothringischen

Pfarrer, ehedem Oberleutnant in der französischen Armee. Im allgemeinen hatten wir

31 Rotspanien: Spanien gehörte während des Zweiten Weltkriegs zu den faschistischen Verbündeten Deutschlands. Es gab dabei

jedoch auch das 'andere Spanien', das antifaschistische republikanische Spanien, das sich zu einem großen Teil aus Katalanen, aber

auch Angehörigen anderer Nationalitäten konstituierte. Diese mussten nach dem Spanischen Bürgerkrieg entweder in ihrer Heimat

untertauchen oder nach Frankreich flüchten. Dort beteiligten sich viele von ihnen am Kampf gegen die deutsche Invasion und später

an der Résistance. Auf diese Weise geriet eine große Zahl während des Zweiten Weltkriegs in die Hände französischer

Kollaborateure und deutscher Besatzer und wurde in deutsche Konzentrationslager deportiert

32 Zippel, Friedrich, evangelischer Pastor aus 99994 Schlotheim im Unstrut-Hainich-Kreis (nordwestl. Erfurt), 25.10.1887, KZ

Dachau 13.6.1941 – 3.4.1945, entlassen am 4.4.1945, Verhaftungsgrund: Zusammenarbeit mit der „bekennenden Kirche“

33 Hilmes, Karl, evangelischer Geistlicher, Pfarrer, Deutschland, Ulfen, * 24.04.1907, KZ Dachau 20.03.1942- 12.06.1943, nach

Gefangenschaft in Kassel wieder KZ Dachau 07.10.1943- 14.10.1944, danach überstellt in ein anderes Gefängnis. Gestorben an den

Spätfolgen der Malariaversuche. Verhaftungsgrund: Vergehen gegen das Sammlungsgesetz und Stellungnahme gegen Euthanasie

34 Carls, Hans, Geistlicher, Caritasdirektor, Diözese Köln, aus Elberfeld, Stadtbezirk von Wuppertal, *17. 12. 1886, KZ Dachau

13. 3. 1942- 29. 4. 1945, befreit, Verhaftungsgrund: staatsgefährliche Predigten, (Autor von: Hans Carls, Dachau, Erinnerung eines

katholischen Geistlichen aus der Zeit seiner Gefangenschaft 1941-1945)

35 Postleitzahl 48231, gehört zu Warendorf im gleichnamigen Kreis (östlich von Münster)

36 vermutlich gemeint: Bujakowiecki, Gregor-Georg, Pfarrer, Deutsch, Bistum Breslau, *23.12.1897, Dachau 26. 12.1941-4. 4.

1945, entlassen, Verhaftungsgrund: Polen- und Jugendseelsorge

37 Kaminski, Andrzej, Pfarrer, Militärpfarrer, Polen, Militärdiözese, * 28.11.1890, KZ Dachau 07.07.1942- 29.04.1945, befreit,

Kriegsgefangener

38 Klewicz, Kazimierz, Märtyrer, Geistlicher, Administrator, Polen, Diözese Chelmno, *12.12.1903, KZ Dachau 14.12.1940-

29.04.1945, befreit

39 Fabing, Leon, Pfarrer, Frankreich, Diözese Metz, * 11.7.1905, KZ Dachau 19.11.1942- 29. 4. 1945, befreit, Verhaftungsgrund:

Polenseelsorge

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ein nettes Verhältnis zu einander, das uns das Arbeiten leicht machte. Jeden

Samstag vormittags hatten wir die Privatwäsche für alle Lagerblocks, wenn sie aus

der Wäscherei kam, zu sortieren und wegzubesorgen. Sonntags hatten wir in der

Regel arbeitsfrei, während in der Kabelzerlegung auch sonntags von 6-12 Uhr

gearbeitet werden mußte. Einige Male wurden wir aus der Ruhe aufgescheucht durch

drohenden Besuch von Rapport- oder Lagerführer, besonders durch die SS-Gestapo,

den Lagerschreck Bach, der in bekannter Gestapo-Manier mit den Häftlingen umging,

und selten wegging, ohne nicht eine Meldung mitzunehmen und den einen oder

anderen ins Unglück zu stürzen, d.h. womöglich in den Bunker zu bringen. Wer beim

Rauchen während der Arbeitszeit oder beim Rauchen in der Baracke von ihnen

erwischt wurde, bekam 72 Stunden „Stehbunker“ ohne Gelegenheit zu liegen oder zu

sitzen 40.

Wenn wir ahnungslos waren, an nichts Böses dachten, kam unerwartet eine Revision,

meist vor Feiertagen, und dann begannen aufregende Stunden und Tage,

eingeleitet durch „Filzen“ (Visitation des Raumes, der Spinde, der Kleidertaschen)

dann fand die SS stets Anlaß zum Strafen.

Am Karfreitag 1944 fand meine Tätigkeit in der Strohsacknäherei ein jähes Ende 41.

Nachmittags um 4 Uhr erschien plötzlich der Rapportführer Kuhn, der einige Monate

vorher aus Buchenwald oder Sachsenhausen gekommen war, entdeckte bei dem

polnisch-russischen Schuhmacherkommando, das bei uns Strohpantoffeln anfertigte,

Leder, das aus dem SS-Lederlager stammte, und zu Privatschuhen für Häftlinge

verarbeitet wurde. Das war natürlich verboten. Nun begann er eine allgemeine

Filzung, fand in den Spinden Wurst und Eier. Nebenan unter den Strohsäcken einen

neuen Anzug für den Capo und drohte nun wütend, daß das gesamte Kommando

bestraft werde: „Ich werde euch das Alleluja austreiben, ich werde euch über Ostern

stehen lassen“. Als dann noch seine Wildlederhandschuhe am Ende der Filzung

verschwunden waren – ein Häftling-Schuster hatte sie offenbar entwendet, war es um

uns alle geschehen. Wir mussten am Karfreitag Abend am Jour-Haus antreten, der

Lagerführer verfügte die Auflösung des Kommandos und drohte mit Transport in ein

anderes Lager. Nach dem Grundsatz der Kollektiv-Strafe wurden auch wir vom Nähkommando

mitbetroffen. Pfarrer Karl Hilmes und ein polnischer Lehrer kamen sofort

bis Osterdienstag

[auf Seite 75]

in den Bunker. Wir mußten am Karfreitag früh 6 – 9 ½ Uhr am Jour-Haus Strafe

stehen, dann mit Schippe oder Pickel ohne Unterbrechung bis abends 6 Uhr im

Splittergraben arbeiten. Mittagessen gab es nicht. Ebenso mußten wir die gleiche

Arbeit an den beiden Osterfeiertagen mit kurzer Mittagspause verrichten. Am

Donnerstag nach Ostern mußten wir nach dem Appell am Arbeitsnachweis antreten

und unsere fernere Strafe anhören: Die Pfarrer wurden sämtlich aus dem Kommando

entlassen, alle anderen wurden auf Transportfähigkeit untersucht und die unter 50

Jahren kamen in das Lager Allach 42 bei München, wo sie keine gute Behandlung

hatten. Leiter des Arbeitsnachweises war Cuno, ehemals braunschweigischer

Ministerpräsident (Sozialist), der im Frühjahr 1945 an Magenkrebs starb. Er war kein

40 das sind drei Tage und drei Nächte!

41 als Randnotiz ist angefügt: Kollektiv=Strafe

42 ist ein kleines Außenlager von Dachau in München-Allach, Postleitzahl 80999

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übler Mensch, ehedem Volksschullehrer, in Mischehe verheiratet mit kath. Frau und

katholischen Kindern. „Ihr seid also die Staatsverbrecher, redete er die Pfarrer an.

Nun, ich habe sie mir auch nicht anders vorgestellt! Ihr könnt gehen, für mich seid ihr

erledigt“. Er meinte es ebenso humoristisch, wie er einst, wo er nach 3 litauischen

Priestern suchte, mit der Frage: „Wo sind die 3 litauischen Gauner?“ Für den bei ihm

gefundenen Speck bekam Pfarrer Hilmes von Herrn Bach 6 Wochen Paketsperre.

Nach einigen Wochen bekam ich vom Capo Jakob Koch ein neues, leichtes

Kommando: Eine Heimarbeit ohne Brotzeit. Ich arbeitete für das Revier täglich 6

Kopfkeile (Näharbeit); Im November kam ich in die Steppdecken=Näherei, dann nach

Weihnachten wieder arbeitslos, hierauf Mitte Januar 1945 wieder für einige Tage

Steppdecken=Arbeiter im Dachraum über der Wäscherei. Capo Weiß, ein brutaler

und gefürchteter Mann, der die Geistlichen nicht leiden mochte, entließ uns wieder

wegen „zu langsamer Arbeit“. Von dieser Arbeitstätte aus hatte ich durch ein Dachfenster

Ausblick auf das SS=Gefängnis der „gefallenen Engel“ oder „Knochenmänner“,

und sah, wie sie gestriezt wurden. Dann erblickte ich den sogenannten

Ehrenbunker“ mit einem kleinen geschlossenen Hofgarten, in dem an einem

schönen Sonnentag der serbische orthodoxe Patriarch von Belgrad in seiner geistlichen

Kleidung, mit einem Stab mit goldenem Knopf, sinnend auf einem Stuhl saß 43.

Weiter weg lagen die 2 großen Hallen mit der „Gurtenweberei“, die viele Häftlinge

beschäftigte. In der Ferne lag München. Die Türme der Frauenkirche ragten empor.

Den Hintergrund bildete manchmal bei klarem Wetter die herrliche Alpenkette. Aber,

wenn man die Alpen sehen konnte, gab es totsicher heute oder morgen schon

Regenwetter. Im freien Gelände hinter dem Lager exerzierten die SS=Soldaten und

zuletzt der „Volkssturm“; freilich zu spät! Lange schaute ich nie durch das Fenster,

denn beim Anblick der frei einhergehenden Menschen überkam mich zu sehr die

Sehnsucht nach Freiheit und der Heimat. Besonders ergriff uns das Heimweh im

Frühjahr, wenn die Zugvögel wieder kamen, und es zu sprossen anfing. 2 Jahre sah

ich keine Felder; im Lager gab es nur auf der Hauptstraße die langweilige Pappelallee,

an den Randbeeten die Sonnenblumen. Das Arbeiten auf dem Dachboden war

recht ungemütlich, denn es war nicht geheizt. Zudem wurden den Pfarrern am 3.

Dezember 1944 die Mäntel abgenommen. Erst am Weihnachtstag 1944 erhielt ein

Teil der Pfarrer, darunter ich, weil ich beim Kommando war, wieder einen Mantel. Im

März wurden etwa 150 Pfarrer aus allen Nationen gezwungen, an Zeltbahnen Knöpfe

anzunähen. Als Arbeitsraum wurde trotz Einspruch unsere Kapelle bestimmt. Dort

saßen wir auf dem Hocker in langen Reihen und hatten unter Leitung des Capo

Kaplan Albinger 44, Diözese Fulda, in zwei Tagen 64 Knöpfe anzunähen und 32

Knopflöcher zu säumen. Es gab Frühstück, Brotzeit, d.h. eine Schnitte Brot und eine

Scheibe Wurst. Aus dieser Arbeit wurde ich am 29. März 1945 gegen 10 Uhr

abgerufen mit der Bemerkung, ich sei entlassen, solle sofort mein Bündel packen und

in einer halben Stunde antreten. Freilich hatte ich schon heimlich Tage vorher von

43 der serbische Patriarch Gavrilo Dožić wurde 1941 zuerst in ein Kloster inhaftiert und 1944 ins Konzentrationslager Dachau

verschleppt. Gavril, Doschitch, Patriarch, orthodox, Jugoslawien, Beograd, * 17. 5.1881, KZ Dachau 25. 9. 1944- ?, überstellt an

einen anderen Ort

44 Albinger, Josef, Kaplan, Diözese Fulda, *20.12.1911, KZ Dachau 05.02.1942-04.04.1945, entlassen, Verhaftungsgrund:

Verbreitung der Predigten des Bischofs von Galen

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Pfarrer Dupong – Luxemburg 45 erfahren, daß ich auf der Entlassungsliste aus Berlin

stehe. Kaplan Jost – Luxemburg 46 hatte die Mitteilung gebracht. Doch musste ich

darüber schweigen.

[auf Seite 76]

Noch ein Vorfall ist bemerkenswert, der sich im Sommer 1943 abspielte und sehr

unangenehme Folgen für den Priesterblock hatte. An einem Sonntag-Nachmittag war

gelegentlich einer Hundedressur außerhalb des Lagers der Hundezüchter entflohen.

Es war ein Häftling aus Nürnberg und genoß bei der Lagerführung Vertrauen. Deshalb

durfte er auch lange Haare tragen und erfreute sich anderer Erleichterungen.

Der Ärger über seine „Treulosigkeit“ war groß. Alle Hebel wurden in Bewegung

gesetzt, um seiner wieder habhaft zu werden. Nach einigen Tagen war er wieder

gefangen, wurde bestraft, abgesetzt und kam später in die Strafkompanie. Wie üblich

in solchen Fällen fand von Seiten der Lager=Gestapo eine Durchsuchung im Wohnraum

des Hundezüchters statt, wobei man in seinem Notizbuch Adressen fand, die

auf den Karitas=Direktor Carls von Elberfeld zurückgingen. Sogleich wurde er verhört,

der Beihilfe zur Flucht verdächtigt und die Gestapo in Elberfeld verständigt. Bei

einer Durchsuchung im dortigen Caritas=Büro fand man Berichte über Zustände und

Ereignisse in Dachau, die Carls heimlich dorthin gesandt hatte. Er kam in Untersuchungshaft,

und später wurde er mit Gefängnis bestraft; eine harte Sache für den

an Zuckerkrankheit leidenden Geistlichen, der monatelang im Revier lag. Er hielt es

aber durch und kam im Frühjahr 1945 auf den Priesterblock zurück. Die Berichte

Carls sowie die „schwarzen Briefe“ von 3 anderen Geistlichen scheinen aber der

Gestapo sehr auf die Nerven gegangen zu sein. Denn im Januar 1945 kam eigens

eine Kommission von Berlin, stellte Untersuchungen und Verhöre an und entschied,

daß sämtliche Geistliche aus Vertrauensstellungen zu entlassen seien. Dies erfolgte

alsbald: Aus dem Revier, der SS. Besoldung, der Post, Schreibstube z.B. wurden alle

Geistlichen entlassen. Damals wurden auch vorübergehend die beiden angeblichen

Führer im Priesterblock, Pfarrer Helmus (Münster) 47 und der bekannte Pallottiner

Pater Kentenich – Schönstadt 48 in Untersuchungshaft genommen. Obgleich vor

Weihnachten 1943 viele Geistliche „Entlassungs=Vernehmungen“ hatten und sich

schon große Hoffnungen machten, kam kein einziger zur Entlassung; auch die

Entlassung des Stadtdekans von Mainz, Ott, die als feststehend galt, wurde

rückgängig gemacht. Nach dem Urteil der Pfarrer war all dies auf die geheimen

Berichte Carls zurückzuführen. In den letzten 1 ½ Jahren kamen höchstens 3 Pfarrer

zur Entlassung. Ein Kaplan ließ sich vor Weihnachten bei der allgemeinen Werbung

zur Wehrmacht im Spätherbst 1944 anwerben, und kam zur SSBewährungskompagnie

(Doppelfeld aus der Erzdiözese Köln) und der

45 Dupong, Josef, Pfarrer, Luxemburg, * 4.6.1889, KZ Dachau 24.2.1942- 29. 4.1945, befreit, Verhaftungsgrund: Predigten,

Hirtenbriefe, Gebete, Bruder des geflohenen Ministerpräsidenten

46 Jost, Jules, Vikar, Luxemburg, * 26.08.1914, KZ Dachau 13.08.1943- 29.04.1945, befreit, Verhaftungsgrund: Unterstützung

französischer entflohener Kriegsgefangener, illegale Tätigkeit

47 Helmus, Josef, Pfarrer, Deutschland, Diözese Münster , * 19. 4.1886, KZ Dachau 18.12.1942- 05. 04.1945, entlassen

48 Pater Josef Kentenich war Lehrer und Erzieher im Studienheim der Pallottiner in Vallendar-Schönstatt. 1914 legte er in der

Gnadenkapelle in Schönstatt das "Liebesbündnis mit der Mater ter admirabilis" ab als Grundstein zur "Schönstatt-Bewegung", die

der Idee vom neuen Menschen in einer neuen Gemeinschaft Gestalt geben will. In Maria sah er das Vorbild des Menschen in seinem

Verhältnis zu Gott. Nach dem Krieg musste er von 1951 - 1965 eine kirchlich verfügte Trennung von seinem Werk erdulden. Er

starb am 15. September 1968 auf dem Berg Schönstatt

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sudetendeutsche Kaplan Schrammel wurde wegen Schwarzschreibens zur Strafe

nach Buchenwald überstellt. So brachte der Winter 1943/44 manche schwere Stunde

der Enttäuschung, der Aufregung und Depression für den Priesterblock. Gekrönt

wurde diese Zeit durch eine ganz gemeine Filz=Aktion durch den Raportführer Kuhn,

der aus dem Schlafsaal der Stube 3 alles durchs Fenster auf die Straße werfen ließ

und unter anderem Privatwäsche und Rauchmaterial wegnahm. Besonders traurig

war im Frühjahr 1944 die Einrichtung eines Bordells 49 im Lager. Dafür war Platz,

während sonst die Baracken menschenunwürdig überfüllt waren. Daß das Bordell

von den Häftlingen im allgemeinen gemieden wurde, daran waren nach Behauptung

der Lagerleitung natürlich die Geistlichen von Block 26 und 28 schuld, denen mit

strengen Strafen gedroht wurde.

Nach dem missglückten Attentat auf den „Führer“ am 20. Juli wurde unsere Lage

verschlechtert. Es kamen an 1000 sogenannte Aktionshäftlinge; immer neue Transporte

von Franzosen und Italienern. Die Suppe wurde dünner, durch die Unterbrechung

des Verkehrs infolge der stets wachsenden Luftangriffe kamen seit Oktober

nur noch wenige Pakete. Die Brotration wurde kleiner, kurz, wir sahen beim Jahreswechsel

1944/45 mit größter Sorge in die Zukunft. Im November brach Flecktyphus=

Epidemie aus und es starben immer mehr Lager=Insassen. In den Monaten Januar

Februar 1945 allein 7000 Menschen.

[auf Seite 77]

Was den Aufenthalt im K-Z. so schwer machte, war folgendes:

1. Herausgerissen sein aus dem priesterlichen Leben und der seelsorglichen Tätigkeit

unter Wegnahme der priesterlichen Kleidung; im erniedrigenden Spottkleid,

unzulänglich bekleidet, in Holzschuhen, ohne oder mit armseligen Jacken, ohne

Weste, Kragen, zeitweise ohne Kopfbedeckung und Mantel; um Hose, Rock und

Mantel mit der Häftlingsnummer und dem roten (politischen) Winkel 50 gekennzeichnet.

Ich trug die Nummer 46 687 51– Sonntags- und wochentags dieselbe

armselige und dürftige Kleidung. Ja, wir durften keinen Sonn- und Feiertag haben.

2. Die Entbehrung jeder menschlich-würdigen Behandlung. Häftlinge haben keine

Rechte; zu allen Beschimpfungen haben sie zu schweigen. Eng zusammengedrängt

in unzureichender Tagesstube 90, dann 200, zum Schluß 400 Menschen

aus verschiedenen Nationen und Sprachen. Man glaubt nicht, wie zermürbend es

ist, Tag für Tag ständig fremde Menschen um sich zu hören. Wir waren ausgestoßen

aus der menschlichen Gesellschaft. Nirgendwo Tag und Nacht ein Plätzchen

zur Ruhe und zum Alleinsein. 3 Schmalbetten nebeneinander, 3 Betten übereinander.

In jeder Lage 4-6 nebeneinander. Im Tagesraum vielfach Gewühl, Gedränge,

Lärm; immer wieder Kommandos, Rufen, Schreien, Gleichzeitig im Raum

Mittagssuppe, Rasieren, Haarschneiden, Läusekontrolle. Dazu das Gejagtwerden

49 Die Einrichtung von Bordellen in den Konzentrationslagern ging auf einen Brief Heinrich Himmlers vom 5.3.1943 an Oswald

Pohl, Chef des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes zurück“…muß in jedem Lager die Möglichkeit sein, daß der Mann ein oder

zweimal in der Woche das Lager-Bordell besucht. Dieser ganze letzte Komplex ist nicht übertrieben schön, aber er ist natürlich und

wenn ich diese Natürlichkeit als Antriebsmittel für höhere Leistungen habe, so finde ich, daß wir verpflichtet sind, diesen Ansporn

auszunützen…“

50 spezielle Winkel sollten die Häftlinge im NS-Konzentrationslager "kennzeichnen": politisch (rot) homosexuell (rosa)

Bibelforscher (lila) emigriert (blau) sog. asozial (schwarz) kriminell (grün)

51 die Häftlinge hatten keine Namen mehr, sondern wurden nur noch mit ihrer Nummer gerufen

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von morgens früh bis abends, zweimaliger Appell jeden Tag, dazu Antreten zur

Arbeit, zum Baden, zur Impfung, zum Gefilztwerden. Dann Beaufsichtigung durch

Capos und SS; Schikanen, Strafstehen und Strafmarschieren.

3. Zeiten der Aufregungen: Wenn Invaliden=Transporte zusammengestellt wurden,

Prügelszenen52 nach dem Abend=Apell; wenn wir von Hinrichtungen hörten oder

sie erlebten 53; immer wieder Ankunft von neuen Transporten. Eine Aufregung

löste die andere ab. Die Strafen: Entziehung der Brotzeit, Ohrfeigen, Tritte,

Strafbunker, 3 Wochen Gefängnis, Strafkompanie. Im Sommer 1943 wurde dem

ganzen Block 26 das Lagerbrot auf eine Woche, dem Polenblock 28 (Priester) für

2 Wochen entzogen. Gefürchtet war stets das Erscheinen des Gestapo-Bach.

4. Die Sorge um die Zukunft, verbunden mit den Gedanken nach den Lieben zu

Hause, Heimweh. Die Ungewissheit, wie lange wird es dauern. Wirst du wieder

herauskommen? Wo so viele sterben, besonders zur Zeit des Typhus, besonders

als die Verpflegung im Spätherbst 1944 bis zum Schluß so schlecht und völlig

unzureichend wurde. Wirst du gesund bleiben können bei dem Fehlen von

Medikamenten und den elementarsten sanitären Einrichtungen. Was wird die SS

mit dem Lager tun, wenn der Krieg schlecht ausgeht? Werden wir vernichtet?

Werden sie es wagen? Tatsächlich hat Himmler am 14. April 1945 telegrafiert:

Kein Häftling darf lebendig in die Hände der Feinde fallen“.

Ja, wir waren wirklich überall vom Tode umgeben, ganz in den Händen unerbittlicher

Feinde. Es war uns klar: Wird der Krieg von den Deutschen gewonnen,

kommen wir nie mehr nach Hause, dann wird man uns hier verelenden lassen.

Wir haben oft gesagt: „Wenn wir nach Hause kommen und erzählen, was hier

geschehen ist, werden uns die Leute nicht glauben. So ist es ja auch tatsächlich

gekommen. Viele wollen auch heute noch nicht an die Wahrheit der K.Z glauben

trotz der Enthüllungen im Nürnberger Prozeß.

[auf Seite 78]

Das religiöse Leben der Priester in Dachau

Für irgendwelche religiöse Betreuung der vielen Tausende von Gefangenen war nicht

im geringsten gesorgt; Sie war direkt verboten und unterbunden. Keine Möglichkeit

zum sonntäglichen Gottesdienst oder Sakramentempfang. Beichthören war verboten.

Zuweilen wurden Priester bei Vernehmungen gefragt: „Haben Sie schon im Lager

Beichte gehört?“ Selbst der Rosenkranz war abgenommen worden. Tausende sind

ohne jeden geistlichen Beistand im Revier gestorben oder hingerichtet worden. Es

gab keine kirchliche Beerdigung, nur Verbrennung 54.

52 zur Bestrafung einzelner wurden nach den Appellen Prügel mit Schlagstöcken auf das nackte Gesäß verabreicht. Diese Aktionen

wurden vor allen Häftlingen ausgeführt, wobei sich einige Aufseher hasserfüllt in die Schläge hineinsteigerten

53 in den Aufzeichnungen der Toten nicht enthalten sind jene in Dachau erschossenen sowjetischen Soldaten, die, da ihr Tod

ohnedies bereits beschlossen war, gar nicht erst als Zugänge in die Häftlingskartei aufgenommen wurden. Allein bis zum 31. Juli

1942 sind mindestens 4000 dieser Gefangenen in Dachau ermordet worden, bis 1945 insgesamt über 6000. Unbekannt ist auch jene

Zahl von Personen, die als politische Gegner von der Gestapo zur Liquidation in das Konzentrationslager überstellt und dort

hingerichtet wurden

54 das 1940 errichtete Krematorium außerhalb des eigentlichen Häftlingslagers reichte nicht aus. Deshalb musste 1942 ein größeres

Krematorium (Baracke X) gebaut werden. Auf Anordnung des SS - Wirtschaftsverwaltungshauptamtes in Berlin wurde darin - wie

auch in anderen Lagern - eine Gaskammer eingebaut, getarnt als Brausebad, die jedoch nicht wie vorgesehen benutzt wurde. Die zur

Vergasung bestimmten Häftlinge transportierte man von Dachau nach Schloss Hartheim bei Linz (3166 Häftlinge zwischen Januar

1942 und November 1944) und in andere Lager

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Nicht wenige Gefangene haben 8-10 Jahre lang niemals einen Gottesdienst erlebt.

Nur für die Priester auf Block 26 war seit 1941 eine Ausnahme gestattet Dank der

Bemühungen des Papstes und der Bischöfe. Der an die Lagerstraße stoßende

Barackenraum in Größe einer Tages- und Schlafstube wurde als Kapelle

freigegeben. 500 Priester knieten gern auf dem Boden. Anfangs war nur ein

hölzerner Altartisch mit Tabernakel vorhanden, aber im Laufe der Zeit geschah alles

nur Mögliche, um die Kapelle auszustatten und zu verschönern. Manche haben dazu

mitgeholfen: Die Diözese Münster stiftete ein geschnitztes Altarkreuz, aus Breslau

kam eine Statue der „Gottesmutter von Dachau“. Weihnachten 1943 zur Christmette

war zum ersten Mal ein Krippenbild über dem Altar, von einem gefangenen Künstler

gemalt. Der Kreuzweg von Fagel lud viele Priester täglich ein, den Leidensweg des

Herrn zu gehen. Der Pfarrer vom Orte Dachau besorgte ein Harmonium,

Kirchenwäsche und Hostien, wie Kerzen. Mainz stiftete den Messwein. Allmählich

erstanden immer neue kleinere, aber wichtige Ausstattungen, wie 2 holzgeschnitzte

Monstranzen und Leuchter. Schöne Messgewänder wurden besonders aus der

Diözese Trier gesandt 55.

Jeden Morgen früh vor dem Appell war Gemeinschaftsmesse; in der letzten Zeit nach

dem Appell eine zweite hl. Messe. Die Priester empfingen alle die hl. Kommunion.

Jeden Sonntag nach dem Morgenappell war Levitenhochamt mit deutscher, manchmal

lateinischer Predigt, abwechselnd von verschiedenen Weltpriestern und Ordensgeistlichen.

Jeder konnte sich dazu melden. Daran schloß sich eine stille hl. Messe.

Hierauf wurde die Kapelle für den protestantischen Gottesdienst geräumt 56. Gegen

Mittag hatten die Polen ihre Messe mit Predigt, aber erst seit Sommer 1944. Vorher

durften sie die Kapelle nicht benützen. Sie verstanden es, jahrelang auf ihrem Block

freilich ohne priesterliche Gewänder die Messe zu feiern und die hl. Kommunion zu

spenden. Hostien und Messwein erhielten sie von den deutschen Priestern. – Bei

dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß es stets erbaulich auffiel, mit welcher Ehrfurcht

die Polen beim Vorrübergehen an der Kapelle das Allerheiligste begrüßten.

Nach den Polen kamen zuweilen die Orthodoxen. Kurz nach Mittag hatten Franzosen,

Italiener, Tschechen oder andere Nationen Gottesdienst, bis dann wieder allgemeine

Nachmittagsandacht war. Fast jeden Sonntag wurde von Hunderten von

Priestern die Vesper gesungen, so exakt, wie ein Chor der Benediktiner es nicht besser

kann. Daran schlossen sich wieder 2-3 hl. Messen. In der Fastenzeit war statt der

Vesper Fastenpredigt: Franzosen und Tschechen hatten ihre eigenen an Werktagabenden.

Auch sonst fanden öfters abends Predigten und Vorträge statt,

[auf Seite 79]

die mit dankbarem Eifer angehört wurden. Erwähnt seien z.B. die Predigten unseres

Spirituals, P. de Koringk, Rektor des Jesuitenkolleg in Brüssel, P. Kentenich (Pallotiner),

Dr. Muhler - München 57; die Bibelabende des Religionslehrers Friedrichs 58 aus

Münster (er wurde im Herbst 1944 Blockältester, wurde nach Ostern 1945 entlassen

und von Bischof Graf Galen zum Domkapitular ernannt). Oft wurden zur Vorbereitung

55 Pfr. Lenferding hat aus dem KZ einen vergoldeten Messkelch mit nach Hause gebracht, der sich nun im Besitz der Pfarrgemeinde

befindet. Foto siehe letzte Seite.

56 im Prinzip hatte jedoch die Ökumene im KZ ihren Durchbruch

57 Stadtpfarrer von St. Andreas in München, Dr. Emil Muhler

58 Friedrichs, Reinhold, Geistlicher, Präses, Religionslehrer, Deutschland, Diözese Münster, * 8. 5.1886, KZ Dachau 12. 9. 1941- 5.

4. 1945, entlassen, Verhaftungsgrund: volksmissionarische Tätigkeit trotz Versetzung in den Ruhestand

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auf Festtage Novenen 59 gehalten; im Oktober beteten die Priester jeden abend

gemeinsam den Rosenkranz, in der Fastenzeit öfters den Kreuzweg. Auch der Herz-

Jesu-Freitag wurde gehalten. Ebenso fanden regelmäßig die Versammlungen des III.

Actas statt 60.

Im Mai 1943 war jeden Morgen nach der Messe eine kurze Ansprache über einen der

berühmtesten Wallfahrtsorte. Dann fanden sich die Priester dort im Geist bei der

Gnadenmutter und baten sie um Schutz und Hilfe. An Abwechslung war kein Mangel.

In Dachau befanden sich die Priester aus über 60 Diözesen Europas.

Zwei Gesangchöre bestanden für den Gottesdienst. Der eine stand unter Leitung des

bekannten Förderers des Volkschores P. Gregor Schracke O.S.B. Er übte die

Gesänge für Hochamt, Requiem und Vesper. Der andere 5stimmige Chor stand unter

Führung des Pfarrers Schrammel, eines Sudetendeutschen, Enkel des Musikers

Schramml, nach dem die „Schramml-Musik“ benannt ist. Als Schramml im Winter

1944 in ein anderes Lager überstellt wurde, übernahm ein Österreicher, Pfarrer

Moosbauer 61, ein hervorragender Musikus, die Leitung des Chores, der sich aus

jüngern und älteren Priestern der verschiedensten Länder zusammensetzte und

meist klassische Messen vortrug.

Nach den Gottesdiensten wurde die Kapelle von Priestern gekehrt und der geölte

Fußboden wieder spiegelblank gebonert. Hier betätigte sich besonders der Jesuit

Rektor van Gestel 62 (Holländer), Kaplan Jan Rotkranz (Holländer) und Prinz Löwenstein

63. Unermüdlich war der letztere den ganzen Tag über um die Reinhaltung der

Kapelle bemüht. Der ehemalige Rittmeister aus dem ersten Weltkrieg, dann Konvertit

und Franziskanerpater, zuletzt Kaplan in Salzburg, besorgte die Ordnung und

Ausschmückung und das Fensterputzen.

Aus der Lagergärtnerei wurden die schönsten Lorbeerbäume und Blumen organisiert,

sodaß der Altarraum das ganze Jahr hindurch, besonders an Festtagen in einem

Schmucke prangte wie kaum in einer Kirche.

So war die Kapelle mit der Gegenwart des Heilands im Sakramente die einzige

Zufluchtstätte, das einzige Fleckchen Ruhe in dem Gedränge, dem Geschrei und

Gejagtwerden von morgens früh bis abends, die einzige, aber sichere Stätte des

Trostes.

Während der Arbeitzeit durfte die Kapelle bei Strafe nicht betreten werden, erst 1944

trat eine Lockerung ein. Kam Besuch ins Lager, wurde ihm in der Regel die Kapelle

gezeigt. Es schien, als ob die SS selbst auf sie stolz sei. Besonders in der Mittagsund

Abendzeit konnte man viele Priester treffen, die Adoratio 64 machten, Rosenkranz

oder Kreuzweg beteten, oder auch Brevier – der Kardinal von Breslau hatte

150 Breviere gestiftet -. Auch Andersgläubige beteten hier, manche auf den Knien.

59 ist das 9-tägige Gebet in Vorbereitung auf besondere Anlässe oder Feste

60 als Randnotiz ist angefügt: Ebenso fanden regelmäßig die Versammlungen des III. Actas statt. Hat vermutlich aus der Situation

heraus mit der Idee der „Dritten Orden“ (Terziaren) und Bruderschaften zu tun, die es ihren Angehörigen ermöglichen, z.B. aus

sozialen Gründen einige Aspekte der Ordensspiritualität zu leben, ohne einem Orden anzugehören

61 Moosbauer, Josef, Pfarrer, Österreich, Diözese Linz, * 14.03.1903, KZ Dachau 22.06.1940-16.08.1940 und 08.12.1940-

26.04.1945, dazwischen überstellt ins KZ Maushausen, auf Evakuierungsmarsch aus dem KZ Dachau befreit am 26.04.1945

62 Gestel, Peter van, Dr. Ordensgeistlicher, Jesuit (SJ), Direktor, Niederlande, Diözese Roermond, * 10.07.1897, KZ Dachau

27.03.1942-29.04.1945, entlassen, Verhaftungsgrund: Verbreitung bischöflicher Schreiben und Predigten

63 Löwenstein-Wertheim, Prinz zu, Alban, Ordensgeistlicher, Franziskaner, * 14.08.1892, KZ Dachau 25.06.1942-26.04.1945, auf

Evakuierungsmarsch befreit, Verhaftungsgrund: Predigt

64 aus dem Lateinischen: Anbetung

Seite 20 von 26

Wieviel und wie innig ist in Dachau gebetet worden für die Pfarrei in der Ferne, die

Lieben zu Hause, die Soldaten im Feld, die Schwerkranken im

[auf Seite 80]

Revier, für die im Lager Verstorbenen, für die Gefangenen selbst um ihre baldige

glückliche Heimkehr. Oft mußte das Totenoffizium gebetet, das Requiem gehalten

werden. Wieder war ein Priester aus der Mitte gerissen. Jedesmal wurde in einem

Nachruf sein Lebenslauf und Charakter geschildert. Mancher hervorragende, verdiente

und heiligmäßige Priester wurde der Kirche in Dachau genommen. Von

einigen wußten wir, daß sie ihr Leben Gott angeboten hatten, wie z.B. der

französische Kaplan von Versailles. Mit zwangsverschickten Arbeitern war er nach

Deutschland gekommen, um unter ihnen seelsorglich zu wirken. Dann von der

Gestapo entdeckt wurde er in Dachau eingeliefert. Nach wenigen Wochen war er ein

Opfer des Flecktyphus, wahrlich ein intelligenter, opferbereiter Jugendfreund.

Sterbetage der Priester waren für uns stets Tage tiefer und ernster Besinnung. Ins

Revier müssen, bedeutete für viele: Für immer Abschied nehmen von der Welt. Nur

den einen oder anderen durften seine Freunde noch einmal in der Leichenkammer

schlicht aufgebahrt sehen.

Jeden Sonntag nach dem Hochamt bestieg der Lagerdekan Schelling das schlichte

Rednerpult, um die Verkündigungen zu machen, auf drohende Geschehen aufmerksam

zu machen, Fürbitten und Hilfeleistungen für die Kranken zu erlangen, kirchliche

Neuigkeiten, die von außen auf mannigfachen Wegen zu uns gedrungen waren,

bekanntzugeben.

Ja, die Kapelle hätte niemand von uns missen mögen. Den Glaubensfeinden im

Lager selbst war sie ein Dorn im Auge. Öfters waren wir in Gefahr, sie zu verlieren.

Mündliche Vorstellungen und Eingaben an die Lagerführung, besonders inniges

Gebet erreichten stets, daß die SS nicht wagte, die Kapelle wegzunehmen. Die

Absichten der Hasser wurden durchkreuzt. Auf eine Anzeige aus Häftlingskreisen, in

der Kapelle sei ein Geheimsender, wurde sie eines Tages vom Rapportführer bis in

die verborgensten Winkel ergebnislos durchsucht. Er verließ den Block mit den

Worten: „Die Pfarrer sind doch nicht so schlecht wie man sagt“.

Im Februar 1945 wurde die Kapelle tagsüber Arbeitsraum für die Zeltbahnnäherei. Im

allgemeinen ließ uns die Aufsicht beim Gottesdienst ungestört.

Viele Laien drängten sich zur Gottesdienstzeit an das Eingangstor zum Block 26 und

baten um Einlaß. Manchen gelang es hineinzuschlüpfen, die meisten mussten

abgewiesen werden. Wir hätten sonst die Kapelle in Gefahr gebracht. Zudem wurden

wir von der Lagerpolizei und Spitzeln scharf beobachtet. So konnten die Armen nur

von fern oder durch die Fenster der Kapelle schauend dem Gottesdienst folgen. Was

nur aber an geistlichem Zuspruch, Beichthören auf der Lagerstraße, geschehen

konnte, wurde heimlich an diesen Unglücklichen getan. Tag für Tag trugen Priester,

die als Dolmetscher oder Pfleger Zutritt zum Revier hatten, das Allerheiligste in kleine

weiße Papierfalten gehüllt zu den

[auf Seite 81]

Kranken oder Sterbenden ins Revier, bis auch dies infolge des Flecktyphus nicht

mehr möglich war. Dann wurden schwererkrankte Priester auf dem Block oder in der

Kapelle mit den hl. Sterbesakramenten versehen. Erschütternde Szenen für die noch

Gesunden!

Seite 21 von 26

Mit dem Gottesdienst ist das religiöse Leben der Priester noch nicht vollständig

geschildert. Frömmigkeit durchzog den ganzen Tag. Vom Aufstehen bis nach der

Messe wurde Stillschweigen geübt; viele sah man vor dem Appell auf der Lagerstraße

in die Morgenbetrachtung versenkt, auf- und abgehen. Die Gänge zum Appellplatz

waren die besten Gebetszeiten. Betrat man den Tagesraum, so traf man immer

solche an, die in der Heiligen Schrift lasen. Auf den Schlafstuben des Priesterblocks

wurde ein gemeinsames Abendgebet verrichtet. Die abendlichen Betrachtungen des

P. Kentenich auf Stube 4 werden jedem in dankbarer Erinnerung bleiben. Bei den

schrecklichen Fliegerangriffen auf München, die von uns gut beobachtet werden

konnten, war die Kapelle mit Priestern gefüllt, die für die armen Opfer beteten. Gott

weiß, wie viel Segen und Gnade aus dem Priesterblock im Lager Dachau herausgegangen

ist. Das Bewußtsein, der Heiland ist wahrhaft unter seinen Freunden, gab

Kraft und innere Ruhe der Seele. Er ist ihr Schutz und macht die Anschläge der

Feinde zu nichte. Wenn die berechtigte Sorge über die Ungewissheit der Zukunft am

Kriegsende in unseren Gesprächen zum Ausdruck kam, dann siegte das Gottvertrauen:

Der Herr hält seine Hand schützend über die Seinen. So langes, vertrauensvolles

und inniges Beten kann nicht unerhört bleiben. Die glückliche Errettung hat es

bestätigt.

Seite 22 von 26

Ein Ereignis darf nicht vergessen werden, an dem sich Gottes Allmacht und Güte in

wunderbarer Weise offenbarte:

Priesterweihe und Primiz in Dachau.

Unter uns auf Block 26 war ein Diakon Karl Leisner aus Kleve am Niederrhein 65.

Wegen eines Lungenleidens mußte er sein Studium unterbrechen und in St. Blasien

Heilung suchen. Wegen einer angeblichen Äußerung 66, die ein Mitkranker anzeigte,

mußte er das Sanatorium mit dem Lager Dachau vertauschen – 5 Jahre lang. Sein

Zustand verschlimmerte sich. Wird sein heißes Verlangen nach dem Priestertum sich

erfüllen? Gott fügte es, daß im Spätsommer 1944 der französische Bischof Gabriel

von Clermont-Ferrant 67 zu uns auf den Block kam. Eine große Freude für uns. Jeden

Sonntag las er die Messe und am Christkönigfest sogar Pontifikalamt. Pfarrer Bauer

fertigte ihm ein violettes Bischofskleid und Mitra, der Benediktiner-Pater Dr. Spitzig,

ein spätberufener Bildhauer aus Österreich, schnitzte einen Hirtenstab mit dem Wahlspruch:

victor in vinculis“ 68. Andere verfertigten ein Pectorale 69, alles heimlich organisiert

70. Die Bemühungen, dem leidenden Diakon zur Priesterweihe zu verhelfen,

waren von Erfolg gekrönt. Der Bischof von Münster, Graf von Galen, gab seine Einwilligung,

Kardinal Faulhaber, der Oberhirte von München, erteilte die Erlaubnis und

spendete die Pontifikation. Am 3. Adventsonntag war die Weihe 71, am Stephanus-

Tag die Primiz 72. Karl Leisner wurde anfangs Mai mit seinen Freunden aus dem

Lager befreit und sofort in das Krankenhaus Planegg bei München gebracht. Dort ist

er am 12. August 1945 gestorben. R.i.p.

65 Karl Leisner wurde am 28. Februar 1915 in Rees am Niederrhein als erstes von fünf Kindern geboren. Mit 12 gründete er auf

Vorschlag eines Kaplans eine Jugendvereinigung, die Gruppe des heiligen Werner. Dies bleibt nicht ohne Rückhall: Da er in der

Kirche auffällt, werden die Nazis auf ihn aufmerksam. In den letzten Worten seines Notizbuchs vergibt er seinen Feinden; versöhnt

mit Gott und den Menschen stirbt er am 12. August 1945

66 Am 8. November 1939 misslang ein Attentat auf Hitler in München. Karl Leisner kommentierte dies vor einem Patienten, mit

dem er das Zimmer teilte, mit den Worten: „Schade, dass er nicht dabei gewesen ist.“

67 in einer Predigt an Fronleichnam 1943, am 24. Juni, hatte Gabriel Emmanuel Joseph Piguet verschiedene Vergehen der

Nationalsozialisten angeprangert. Am Pfingstsonntag, dem 28.5. 1944 wurde er nach dem Pontifikalamt verhaftet. Man brachte ihn

ins Gefängnis, dann wurde er ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert und kam in der Nacht vom 6./7. September im KZ Dachau an.

Er übernahm im KZ immer wieder bischöfliche Aufgaben, so auch die heimliche Priesterweihe des Diakons Karl Leisner am

17.12.1944, dem Sonntag Gaudete (zur Ablenkung der Wachen spielte ein russischer Häftling vor der Baracke Geige). Am

22.1.1945 kam Bischof Piguet ins "Ehrengefängnis" des KZ. Am 24.4.1945 wurden die "Ehrenhäftlinge" aus dem KZ Dachau in

Autos nach Südtirol gebracht, wo sie am 4.5. am "Pragser Wildsee" durch die Amerikaner befreit wurden. Am 14.5.1945 kehrte

Bischof Piguet nach Clermont-Ferrand zurück. Am 11.10.1951 erhielt er das Ritterkreuz der Ehrenlegion und am 22.6.2001

posthum durch den Staat Israel den Ehrentitel eines "Gerechten der Völker"

68 „Sieger in Ketten“ – Leisners Motto, das er während seiner Zeit mit den Jugendlichen wiederholt verwendet

69 Brustkreuz, wird vom Bischof an einer Kette oder an einem Band bzw. Kordel getragen

70 organisieren hieß nicht, andere Häftlinge zu bestehlen oder für andere Häftlinge Bestimmtes wegzunehmen

71 diese Priesterweihe am 17.12.1944 war ein europäisches Ereignis, und sie löste starke Hoffnungen unter den Beteiligten aus. Da

kniete ein deutscher Diakon vor einem französischen Bischof, und Priester aus über 20 Nationen, vor allem aus dem Osten Europas,

deren Angehörige noch Krieg gegeneinander führten, waren hier im Namen Jesu Christi vereint

72 Karl Leisner hatte weder im KZ noch nach seiner Befreiung außer seiner „Primizmesse“ ein weiteres Mal zelebrieren können.

Das zu tun aber war sein sehnlichster Wunsch, doch sein Gesundheitszustand ließ es nicht zu. In der damaligen Zeit war es nur mit

besonderer Erlaubnis möglich, außerhalb eines Kirchenraumes die heilige Messe zu feiern. Der damalige Kardinal Faulhaber von

München erlaubte, dies im Krankenzimmer von Karl Leisner zu tun. Dieser war darüber hoch erfreut und wünschte sich

ausdrücklich als Datum den 25. Juli, das Apostelfest des heiligen Jakobus. Dieser 25. Juli war auch der Tag seiner letzten

Tagebucheintragung, das er nach seiner Befreiung aus dem KZ Dachau weitergeführt hatte. Johannes Paul II. hat Karl Leisner, den

Priester einer Messe“ am 23. Juni 1996 in Berlin seliggesprochen

Seite 23 von 26

[auf Seite 82]

Nachtrag: 73

Oft bin ich gefragt worden, weshalb ich eigentlich nach Dachau gekommen sei.

Formell nach dem Schutzhaftbefehl des Reichssicherheits-Hauptamtes Berlin wegen

angeblichen Mißbrauches des geistlichen Amtes, also mit anderen Worten, wegen

meiner korrekten Pflichterfüllung in dem geschilderten Fall NN 74. Wenn ich aber

tiefer nachforsche, was die Ursache gewesen ist, daß die Ortsgruppe der Nazi-Partei

Schwanheim und die Gestapo Frankfurt ermutigt hat, gegen mich vorzugehen, so

kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, daß der früher genannte Kreis von

Katholiken Schwanheims 75, z.T. mit der weiblichen Jugend verbündet, die gegen

mich eingenommen waren, ehe ich Schwanheim erhalten hatte, und die Stimmung

gegen mich machten, indirekt nicht ganz unschuldig waren. Diese Leute hatten ja die

Drohung ausgesprochen, daß sie mich wieder von hier fortwünschten. Die Geschichte

der Pfarrer von Schwanheim weist ja manches traurige Kapitel für die Gemeinde

auf. Während die Katholiken Schwanheims mich bei meiner Rückkehr aus Dachau

freundlich empfingen, gab es einige, die es tatsächlich versuchten, den Vertreter,

Herrn Eduard Nonn gegen meine Person einzutauschen. Unter Führung des Herrn

NN 76 begab sich eine Kommission – 3 Herren - nach Limburg, um ihren Wunsch dort

vorzubringen. Die beiden anderen will ich nicht mit Namen nennen, da sie ihren

Schritt später bereuten und sich dessen schämen. Die bischöfliche Behörde erteilte

ihnen eine Abfuhr. Der hochwürdigste Herr Bischof Antonius schrieb mir, daß er

hinter mir stehe; der edle Generalvikar Göbel sagte mir bei einem späteren Besuch:

Machen sie sich nichts daraus. In einer so großen Gemeinde gibt es immer einige

Krakehler. Natürlich war mir diese Undankbarkeit und hinterlistige Treulosigkeit von

einigen ein nicht geringer Kummer. Segen Gottes haben sie teilweise nicht geerntet.

Diese Verdemütigungen will ich schweigend und geduldig tragen. Aber in einer

Gemeinde, in der von Zeit zu Zeit immer wieder mit anonymen Briefen gearbeitet

wird, betet man als Pfarrer mit besonderer Andacht zum hl. Erzengel Michael: „Sei

uns eine Schutzwehr gegen die Bosheit und die Nachstellungen des Teufels“.

Gott dank, kann ich heute, da ich diesen Nachtrag schreibe, 1 ½ Jahre nach meiner

Heimkehr von Dachau bekennen, daß die Krise des Anfangs überwunden scheint,

sodaß ich mit Lust und Liebe in der Gemeinde wirke.

73 knapp eineinhalb Jahre später fügt Pfarrer Lenferding einen Nachtrag an seine Erinnerungen in die Pfarrchronik

74 hier stehen die Namen

75 auf welchen Eintrag sich diese Bemerkung bezieht, ist unbekannt, hängt mglw. mit einem anonymen Brief zusammen mit

Beleidigungen, Bedrohungen, Unwahrheiten“ (Chronikeintrag vom 24.April 1942)

76 hier steht der Name

Seite 24 von 26

In den Jahren nach seiner Pensionierung 1960 bis zu seinem Tod 1962 hatte Pfarrer

Lenferding einen regen Kontakt zu dem jungen Pfarrer Köhl in Kelsterbach (Bistum

Mainz) gepflegt. Er war auch sein Beichtvater. Aus vielen Gesprächen erinnert sich

dieser:

Seine Erfahrungen im KZ Dachau waren bitter, sie haben ihn aber nicht gebrochen.

Als Gefangener war er mit mehreren Priestern zusammen in sogenannten

Priesterblöcken und sie konnten, wenn auch selten, heimliche Messen lesen. Was

ihn im KZ am meisten getroffen hat, waren nicht Prügel, die grund- und wahllos

ausgeteilt wurden, sondern die Demütigungen und Erniedrigungen, die Menschen

erfahren mußten. Dazu zählten insbesondere die Wegnahme von Würde und

Intimsphäre, z.B. die Notwendigkeit der Verrichtung der Notdurft vor anderen. Das KZ

hat Pfarrer Lenferding mit seinem festen Glauben und im Gebet überlebt.“

Was ihn ganz besonders auszeichnet und wofür er am 22.5.1959 das

Bundesverdienstkreuz 1. Klasse erhielt, sind seine Standhaftigkeit und

Unerschrockenheit und sein Vertrauen in die Gerechtigkeit. Im Nachhinein muss man

sagen, dass diese Unbeugsamkeit ihn sowohl ins KZ gebracht hat, dass dieser

unerschütterliche Wille es ihm aber auch ermöglichte, darin zu überleben.

Und offenbar wurde er zu keiner späteren Zeit von irgendwelchen Rache- oder

Sühnegedanken geleitet, wie der Eintrag im Protokollbuch vermerkt:

Am 7.10.1945 verhandelt der Kirchenvorstand über einen Fragebogen des

Bischöflichen Ordinariates in Limburg zur Verfolgungspraktik des III. Reiches und

insbesondere, was der Vorstand gegen 77 und seinen Sohn 78 zu unternehmen

gedenkt. Beide haben bei der Schwanheimer Ortsgruppe der NSDAP eine Anzeige

gegen Pfr. Lenferding erstattet, was zu seiner Verhaftung und Einlieferung in das KZ

Dachau führte. Da der Vorsitzende Pfr. Lenferding ausdrücklich wünschte, der

Vorstand möge in dieser Angelegenheit keine Schritte unternehmen, wurde der

Beschluß gefaßt, der Fall ist erledigt.“

77 hier stehen Name, Geburtsdatum und Straße

78 hier stehen Name und Geburtsdatum

Seite 25 von 26

Darf, soll, muss man dieses ergreifende Dokument publizieren?

Dazu kann es unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte einzelner nur eine Antwort

geben: Jede neue Biographie, jeder authentische Bericht aus der NS-Zeit wird auch

wieder neue Leser erreichen und er ist schon deswegen ein Erfolg für die politische

Kultur der Gegenwart sowie für das überlieferte Bewusstsein künftiger Generationen.

Haben doch damals nur ganz wenige es für möglich gehalten, dass nicht nur einzelne

Minister oder ein Diktator, sondern ein ganzer Regierungsapparat kriminell sein

konnten.

Da jedoch fast alle autobiographischen Zeugnisse naturgemäß die Geschichte von

Überlebenden erzählen – von wenigen Ausnahmen wie z.B. dem Tagebuch der Anne

Frank einmal abgesehen – sieht das Zerrbild der Bilanz dieser Schreckensherrschaft

fast so aus, als seien die meisten am Ende doch davongekommen. Es ist daher

allererste Pflicht, das Unglück der über 6 Millionen Ermordeten wach zu halten.

Diesen kleinen Kelch mit Patene brachte Pfr. Anton Lenferding aus dem KZ Dachau mit nach

Hause. Er diente im Lager den legalen sowie geheimen Messfeiern. Er gehört zum Inventar der

hiesigen Pfarrei St. Jakobus und befindet sich als Dauerleihgabe im Dommuseum Frankfurt.

Seite 26 von 26

Wenn wir nach Hause kommen und erzählen,

was hier geschehen ist,

werden uns die Leute nicht glauben“

Mit diesem authentischen Satz

von Anton Severin Lenferding soll

aller Opfer

aller Nationen

gedacht werden

die vom Nazi-Regime

unterdrückt, verfolgt, ausgebeutet, geschändet, ermordet

wurden.

 




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