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Mit herzlichem Dank veröffentlichen wir hier einen Text von Angelika Eisenmann und Thomas Schlichenmayer über Hans Köchl und sein Leben. Heimlich und unter großer Gefahr, half er auf der Plantage des KZ Dachau arbeitenden Priesterhäftlingen. Sein Ensatz beinhaltete auch das Herausschmuggeln von Asche von einzeln verbrannten Geistlichen in den letzten Kriegswochen. Für einige Geistliche organisierten die Kameraden diese besondere Form ihre sterblichen Überreste zu retten, weil sie sich besonders in der freiwilligen Pflege der Thyphuskranken aufgeopfert hatten. Auf diese Weise wurde u.a. die Asche des seligen P. Engelmar Unzeitig und von P. Richard Henkes gerettet, letzterer wird demnächst selig gesprochen.
Aus dem Leben des Hans Köchl, Prittlbach
Hans Köchl, am 19.11.1891 in Welshofen geboren, wuchs in sehr einfachen und bescheidenen Verhältnissen auf. Er wurde, wie so viele, als junger Mann im 1.Weltkrieg zum Kriegsdienst einberufen. Als Gefreiter erlitt er durch einen Scharfschützen eine Schussverletzung. Seine Hüfte wurde dabei zertrümmert. Diese Verletzung sollte ihn Zeit seines Lebens behindern. Verwundet und nicht mehr tauglich für den Kriegsdienst, kehrte er noch vor Ende des 1. Weltkrieges nach Hause zurück. Er fand eine Anstellung als Nachtwächter in der damaligen Pulver- und Munitionsfabrik, die sich auf dem Gelände des späteren Konzentrationslagers befand. Seine Aufgabe bestand darin, das sehr weitläufige Gelände am Absperrzaun zu begehen und dort die in Abständen angebrachten Kontrolluhren zu bedienen.
Nach Stilllegung der Fabrik im Jahre 1919 durch Anordnung der Siegermächte, behielt er seinen Posten als Nachtwächter für das Gelände bei, das offenbar weiterhin bewacht werden musste.
So berichtet sein „Ziehsohn“ Norbert Hechtl, der in Niederroth lebt, in einem Interview am 15.10.2018.
Auf Anordnung des Reichsführers SS, Heinrich Himmler, wurde um das Jahr 1938 die „Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung GmbH, Werk Dachau3/Obb.“, im Allgemeinen als „Plantage“ bezeichnet, gegründet. Hans Köchl wurde als „Ortsdiener“ von Prittlbach dorthin zur Arbeit verpflichtet.
Für die sehr schweren Arbeiten auf der „Plantage“ wurden von der SS ab 1942 viele inhaftierte Geistliche herangezogen, darunter etliche Priester aus Frankreich. Hans Köchl konnte das Leiden der Häftlinge kaum ertragen und fasste den Entschluss zu helfen. Da er sich auf dem Gelände relativ frei bewegen konnte suchte er Kontakt zu den Inhaftierten. Wie er sich dort für die leidenden
Menschen einsetzte schildert der Geistliche Rat Richard Schneider in den Erinnerungen an seine Haft im Nachrichtenblatt der Gemeinschaft ehemaliger KZ-Priester, „Stimmen von Dachau“, Ausgabe Nr. 9, Winter 1967/68:
„Hans Köchl war Ortsdiener von Prittlbach. Zu Beginn des 2. Weltkrieges wurde er arbeitsverpflichtet zum KZ-Dachau. Er wurde auf der Plantage eingesetzt, wo die sogenannten „Prittlbacher Gewürze“ hergestellt wurden, ein Ersatz für die ausländischen Gewürze.
Dort kamen die Priester des KZ in heimliche Verbindung, als sie ab März 1942 auf der Plantage als Arbeiter eingesetzt wurden. Von Anfang an zeigte Hans Köchl gegenüber den Priestern sein herzliches Erbarmen und bekundete die Bereitschaft, zu helfen, wo und wie es nur ging. Dies war für Köchl ein großes Risiko. Wehe, wenn die SS davon etwas gemerkt hätte! Ihm drohte selbst das
KZ, wenn nicht gar der Tod am Galgen.
Hans Köchl war für uns der heimliche Bote zum Pfarramt St. Jakob in Dachau, er informierte Stadtpfarrer Pfanzelt über unsere Lage, warnte, wenn im Lager Untersuchungsaktionen auf dem Pfarrerblock drohten. Diese Botengänge konnte Hans Köchl auch während seines Dienstes unternehmen, weil er Botengänger war.
Bei einer ganz besonders gefährlichen Aktion unterstützte mich Hans Köchl, wo es wahrhaft um „Hals und Kragen“ ging.
Im Februar und März starben an Flecktyphus im Lager … (es folgt eine Aufzählung mehrerer Personen, d. Verfasser)
Meine Verbindung mit dem Capo des Krematoriums machte es möglich, dass die Leichen obiger Häftlinge nachts einzeln verbrannt wurden. Die mir zugetragenen Aschenreste brachte ich auf die Plantage, verpackte sie in Kistchen und ließ diese durch Hans Köchl ins Pfarrhaus St. Jakob bringen, wo sie zu günstiger Zeit weiter befördert wurden.
Gerade hier zeigte Hans Köchl seine Zuverlässigkeit uns KZ-Priestern gegenüber, wie seine Bereitschaft sein Leben einzusetzen in Sachen der Kirche und Ihrer Diener. Er trieb ein gewagtes Spiel mit seinem Leben, das ihm den Tod, nicht aber irdischen Lohn oder Anerkennung einbringen konnte. Ja, für den Fall, dass das „Unternehmen platzte“, mußte er damit rechnen, den Tadel der Unklugheit einzustecken.
Heute ist Hans Köchl ein kranker Mann. Die Erlebnisse und Geschehnisse im KZ Dachau als unbeteiligter Beobachter haben damals schon so sehr seine Gesundheit angegriffen, daß Hans Köchl nach seiner Arbeitsentlassung wegen eines Herzschadens um Rente einreichen mußte. In
bescheidenen Verhältnissen verlebt er in Prittlbach seinen Lebensabend, der durch einen
Schlaganfall vor zwei Jahren getrübt wurde.“
Dies alles tat Hans Köchl unter Lebensgefahr, denn wäre er entdeckt worden, hätte das für ihn den sicheren Tod bedeutet. Er war sich dieser Gefahr bewusst. Nicht einmal seine Frau Maria durfte von seinen riskanten Unternehmungen erfahren. Maria Köchl war zwar, genau wie ihr Ehemann, eine äußerst sozial eingestellte und hilfsbereite Frau, aber hätte sie von seinen Machenschaften mit den KZ-Häftlingen erfahren, hätte sie ihm das auf der Stelle sehr resolut untersagt. So erzählt Norbert Hechtl im Interview.
Nach Ende des zweiten Weltkrieges fand Hans Köchl Arbeit in der Pasinger Papierfabrik. Jeden
Tag, im Sommer wie im Winter, fuhr er mit dem Fahrrad von Prittlbach nach Pasing zur Arbeit.
Für ihn war das sehr beschwerlich, da er durch seine Kriegsverletzung beim Radeln behindert wurde. Als er später eine Fahrrad mit Hilfsmotor erwerben konnte, war das eine große Erleichterung.
Neben seiner Arbeit in der Papierfabrik war Hans Köchl weiterhin als „Gemeindediener“ der Gemeinde Prittlbach tätig. Hier erledigte er alle möglichen Aufgaben bis hin zur Auszahlung der Rente, was damals noch Angelegenheit der Gemeinde war.
Den Neubürgern, wie er die Flüchtlinge und Vertriebenen nannte, aber auch den einheimischen Landwirten half er, selbstverständlich unentgeltlich, beim Ausfüllen von Anträgen, Gesuchen oder Eingaben an verschiedene Ämter und Institutionen.
Hans Köchl war zeitweise auch in der Deutenhofener Holzstofffabrik tätig. Der genaue Zeitraum dieser Tätigkeit konnte nicht ermittelt werden.
Maria und Hans Köchl haben neben ihrer eigenen, leiblichen Tochter insgesamt elf weitere Pflegekinder aufgezogen. Dies nicht etwa um für sich einen finanziellen Vorteil zu haben, sondern aus reiner Nächstenliebe und Menschenfreundlichkeit. Für die meisten aufgenommenen Pflegekinder haben sie keine finanzielle Entschädigung erhalten.
Norbert Hechtl berichtet, dass französische Priester nach dem Krieg aus Dankbarkeit für Hans Köchls Unterstützung in ihrer schweren Zeit im Konzentrationslager, über viele Jahre zu Besuch nach Prittlbach kamen. Trotz der sprachlichen Barrieren waren diese Besuche für alle Beteiligten, insbesondere für die zahlreichen Kinder, immer sehr schöne Erlebnisse.
Es ist wohl der Initiative der Geistlichen zu verdanken, dass der Vatikan in Rom in den 1960er Jahren auf Hans Köchl und seine uneigennützigen Taten für die im KZ-Dachau inhaftierten Priester aufmerksam wurde. So erscheint in der päpstlichen „Acta Apostolocae Sedis“ die Meldung, dass am 23.November 1967 , Hans Köchl (der hier als Köchl, Giovanni bezeichnet wird), zum Ritter des Silvesterordens geschlagen wird ( Il Cavalierato dell‘ Ordine di San Silvestro Papa). Der Orden wird ihm von Papst Paul VI verliehen. Die „Münchener Katholische Kirchenzeitung“ berichtet in einer Ausgabe im März 1968, dass Weihbischof Neuhäusler aus München Hans Köchl die päpstliche Auszeichnung am 20.März 1968 in Prittlbach überreichte.
Hans Köchl starb am 14.4.1972. Er war ein außergewöhnlicher Bürger seiner Gemeinde. Seine Taten sind fast vergessen. Es ist an der Zeit, diesem mutigen, selbstlosen und hilfsbereiten Menschenfreund eine entsprechende Würdigung durch die Gemeinde zukommen zu lassen.
Angelika Eisenmann, Thomas Schlichenmayer; im November 2018